Die wilde Geschichte vom Wassertrinker
Tiergarten-Café austauschen?
»Zeig mir das
Gedicht«, sagte sie.
Sie, die nur
aus Muskeln und Velours bestand, teilte mit mir das
Plumeau und las im Sitzen – eingepackt in Jacke, Hose und Schuhe, nahm sie das
Bett in Beschlag wie ein riesiger Koffer, den man erst auspacken mußte, ehe man
sich schlafen legen konnte. Sie las es ganz ernsthaft, ihre Lippen formten die
Worte nach.
»Mus und Saat?«
las sie laut und warf dem Poeten einen strengen, angewiderten Blick zu. Im
kalten Schlafzimmer dampfte ihr Atem.
»Es wird noch
besser«, sagte ich, unsicher, ob das der Wahrheit entsprach. »Zumindest wird’s
nicht schlechter.«
O Anmut, reine! Es war schwierig, zu zweit unter
dem Plumeau Platz zu finden; es war einfach zu schmal. Sie zog die Stiefel aus
und die Füße ein und überließ mir auch einen Teil des Plumeaus. Sie riß einen
Streifen Kaugummi durch und reichte mir die größere Hälfte; unser genüßliches
Schmatzen war das einzige Geräusch im Zimmer. Es war nicht mal so viel Wärme im
Zimmer, daß das Fenster beschlug; wir hatten eine herrliche Aussicht auf den
blauen Schnee im Mondlicht und auf die kleinen Lichter, die vom Gletscher
herabschienen– weit hinten aus den Hütten bei der Liftstation, wo, so stellte
ich mir vor, gerade rauhe Männer mit großen Lungen flachgelegt wurden. Deren
Fenster waren beschlagen.
Ihr Inhalt dann… »lose und verstreute Dinge?« las
sie. »Was soll denn der Blödsinn? Im Kopf oder wie? Meinst du, ich bin
zerstreut oder was?«
»Oh, nein…«
»Verirrte Dinge
und warme Dinge…«, las sie weiter.
»Das gehört zu
dem Kofferbild«, erklärte ich. »So was wie ’ne forcierte Metapher.«
»Weiche, runde
Dinge…«, las sie. »Also, ich finde…«
[163] »Es
ist ein ziemlich schlechtes Gedicht«, gab ich zu.
»So schlecht
ist es auch wieder nicht«, meinte sie. »Es geht schon.« Sie zog ihren Parka
aus, und ich rutschte ein wenig näher zu ihr, drückte meine Hüfte an ihre. »Ich
wollte mir nur den Parka ausziehen«, sagte sie.
»Ich wollte nur
etwas mehr von der Bettdecke haben«, erwiderte ich, und sie lächelte mich an.
»Es wird immer
so erdrückend«, meinte sie.
»Das Plumeau?«
fragte ich.
»Nein, Sex«,
antwortete sie. »Warum muß es immer so ernst sein? Du mußt jetzt so tun, als
sei ich jemand ganz Besonderes für dich, und du weißt gar nicht mal, ob ich das
wirklich bin.«
»Ich denk
schon, daß du das bist«, entgegnete ich.
»Lüg nicht«,
sagte sie. »Werd nicht so ernst. Es ist nicht ernst. Ich meine, du bist
überhaupt nichts Besonderes für mich. Ich bin einfach nur neugierig auf dich.
Aber ich will jetzt nicht so tun müssen, als sei ich beeindruckt oder so was.«
»Ich will mit
dir schlafen«, sagte ich.
»Klar, das weiß
ich«, meinte sie. »Natürlich willst du das, aber ich mag dich mehr, wenn du
lustig bist.«
»Ich werde zum
Totlachen sein«, sagte ich und stand auf; das Plumeau umgab mich wie ein
Umhang, als ich auf dem Bett hin und her wankte. »Ich versprech’s dir«, sagte
ich. »Ich werde mein Slapstick-Repertoire zum besten geben, und du wirst die
ganze Nacht lachen!«
Ȇbernimm dich
nicht«, sagte sie grinsend. Also setzte ich mich wieder ans Fußende des Bettes
und wickelte mich ganz in das Plumeau.
»Sag mir, wenn
dir kalt wird«, tönte meine Stimme dumpf unter dem Plumeau hervor. Ich hörte,
wie sie mit dem Kaugummi schmatzte und kurz auflachte. »Ich guck nicht hin«,
fuhr ich fort. »Findest du nicht, das ist eine einmalige Gelegenheit, dich
auszuziehen?«
[164] »Du
zuerst«, erwiderte sie, also fing ich an, unter der Decke versteckt, reichte
ihr ein Kleidungsstück nach dem anderen hinaus. Sie war ganz still, und ich
stellte mir vor, wie sie sich darauf vorbereitete, mich mit einem Stuhl zu
erschlagen.
Ich gab ihr
meinen Pulli und mein Unterhemd, ein Knäuel Kniestrümpfe und meine Skihose.
»Mein Gott, ist
die Hose schwer«, sagte sie.
»Hält mich in
Form«, sagte ich und schielte zu ihr hinüber.
Sie saß
vollständig bekleidet am Kopfende des Bettes und schaute sich meine Klamotten
an. »Du bist noch nicht ganz ausgezogen«, stellte sie fest, als sie mich sah.
Ich kroch
wieder unter das Plumeau und kämpfte mit meiner langen Unterhose. Als ich sie
ausgezogen hatte, drückte ich sie einen Moment in meinen Schoß und reichte sie
dann vorsichtig hinaus; ein höchst ungewöhnliches Geschenk. Dann spürte ich,
wie sie sich auf dem Bett bewegte, und wartete in meinem Zelt, starr wie
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