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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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hätte ich nie erwartet.«
    [167]  »Das
tut mir leid.«
    »Ach, das macht
doch nichts.«
    »Bin ich dein
erster Nichtskiläufer?« fragte ich sie.
    »Ich hab noch
nicht viel in Betten rumgeturnt.«
    »Ich weiß.«
    »Nein, du weißt
gar nichts«, meinte sie. »Sag nicht, ich weiß, wenn du es nicht weißt. Ich
meine, ich hab mal jemanden gekannt, der kein Skiläufer war.«
    »Einen
Hockeyspieler?«
    »Nein«, lachte
sie. »Einen Footballspieler.«
    »Aber er war
jedenfalls groß.«
    »Richtig«,
sagte sie. »Und ich mag keine großen Leute.«
    »Ich bin
wahnsinnig froh, daß ich klein bin.«
    »Du bist kein
ernster Typ, oder?« fragte sie mich. Es war eine ernste Frage. »Diese Tonbänder.
Da steckt doch eigentlich nichts dahinter, oder? Du machst nichts Bestimmtes,
hast du gesagt.«
    »Ich bin dein
erster Nobody«, sagte ich, und aus Furcht, sie könne mich an dieser Stelle zu
ernst nehmen, beugte ich mich vor und küßte sie – ihren trockenen Mund mit den
geschlossenen Zahnreihen, hinter denen sich die Zunge verbarg. Als ich ihre
Brust küßte, wühlten sich ihre Finger in meine Haare und zogen leicht daran –
sie tat mir ein wenig weh, schien mich von sich wegschieben zu wollen.
    »Stimmt irgendwas
nicht?«
    »Mein Gummi.«
    »Dein was?«
    »Mein
Kaugummi«, sagte sie. »Er klebt in deinem Haar.« Während ich Aug in Aug ihrer
Brustwarze gegenübersaß, bemerkte ich, daß ich meinen bereits verschluckt
hatte.
    »Ich hab meinen
runtergeschluckt«, sagte ich.
    »Was hast du
runtergeschluckt?«
    »Na ja, ich hab
irgendwas verschluckt«, sagte ich. »Vielleicht deine Brustwarze.«
    [168]  Sie
lachte, hob ihre Brust empor und ließ mich mein Gesicht darin vergraben. »Nein,
sie sind noch da«, sagte sie dann. »Alle beide.«
    »Du hast zwei?«
    Dann streckte
sie sich auf dem Bauch aus, quer übers Bett, und tastete nach dem Aschenbecher
auf dem Nachttisch, in den sie dann den Kaugummi und ein Büschel meiner Haare
legte. Ich packte mir die Decke wie einen Umhang über die Schultern und legte
mich auf sie. Kürbishintern! Es war unmöglich, flach auf ihr zu liegen.
    Sie drehte sich
um, so daß wir uns seitwärts ineinanderkuscheln konnten, und als ich sie küßte,
öffneten sich ihre Zähne. In dem bläulichen Licht, das vom Schnee reflektiert
wurde, kuschelten wir uns unter die Decke wie unter ein Zelt und erzählten
einander Geschichten von unserer mäßigen Ausbildung, unseren noch mäßigeren
Erfahrungen mit Büchern, redeten über Freunde, Sport, Zukunftspläne, Politik,
über unsere Vorlieben, Religion und den Orgasmus.
    Und unter dem
warmen Plumeau (ein-, zwei-, dreimal) schien uns das laute Dröhnen eines tief
fliegenden Flugzeugs lautstark aus diesem frostigen Zimmer
hinauszukatapultieren, es trug uns hinaus, meilenweit über den blauen
Gletscher, wo wir explodierten und unsere verbrannten, geschmolzenen
Körperteile auseinandergerissen wurden, wie Streichhölzer im Schnee verlöschen.
Wir lagen nebeneinander und berührten uns kaum, das Plumeau lag
zurückgeschlagen, bis das Bett wieder ausgekühlt schien und sich wie ein
Gletscherbrocken verhärtet hatte. Dann kuschelten wir uns gegen das eisige
Dunkel zusammen, schmiedeten unter dem Plumeau Pläne, bis sich die ersten
Strahlen der Morgensonne am Gletscher widerspiegelten. Langsam grub der helle,
metallene Lichtstrahl kleine Rinnsale in das Eis auf den Fensterscheiben.
    Ebenfalls im
grellen Sonnenlicht stand, in ein eigenes Plumeau gewickelt, Merrill Overturf
neben unserem Bett; er zitterte und [169]  schwankte, sein Gesicht hatte die Farbe von Stadtschnee, in
den Händen hielt er einen zerbrechlichen Phallus– seine Subkutanspritze, mit 3
ccm Insulin, um seinen Chemiehaushalt wieder in Ordnung zu bringen.
    »Boggle…«, fing
er an und gab mit eisdünner, ängstlicher Stimme einen Bericht darüber ab, wie
schlecht er geschlafen habe; in einem Fiebertraum hatte er seine Decke vom Bett
gestoßen und dann die ganze kalte Nacht nackt dagelegen, hatte beim Aufwachen
festgestellt, daß seine Hüfte mit gefrorenem Urin am Bettlaken festgeklebt war.
Und als er seine Morgenspritze mit Insulin gefüllt hatte, zitterten seine Hände
so stark, daß er sich die Spritze nicht selbst setzen konnte.
    Ich führte die
Spritze zu einer Stelle an seinem blauen Schenkel und drückte vorsichtig
dagegen; die Nadel rutschte ab. Doch er bemerkte es nicht, und beim nächsten
Anlauf warf ich die Spritze aus dem Handgelenk wie ein Dartspieler, so wie ich
es auch schon bei

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