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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Guten zuviel.
    Aber der Rock,
der ihre Oberschenkel bedeckt, gibt mir eine gewisse Sicherheit, und ihre Knie
kenne ich ja schon, vor ihnen habe ich keine Angst mehr. Es ist eine wahre
Wonne, wie sich ihr Bein unter meinem Kopf hebt und senkt, als sie eifrig
Gaspedal und Bremse betätigt.
    »Wohin fahren
wir denn?« frage ich sie mit todgeweihter Stimme und drehe den Kopf ein wenig
zur Seite auf diesem Schoß, von dem nur so wenig da ist.
    »Ich weiß
schon, wohin«, antwortet sie, und ich schaue an ihrem Kostüm hinauf, an den
kleinen Brüsten vorbei bis zum Kinn, sehe, wie ihre Zähne sanft die Unterlippe
festhalten. Ihre Bluse hat einen dunkelgelb-rostfarbenen Kragen, der ihr Kinn
butterblumengelb abtönt. Und ich denke daran, wie Biggie und ich auf einer
Wiese unterhalb von dem Kloster in Katzeldorf lagen, mit einer Flasche von den
Mönchen gekelterten Weins, inmitten von Butterblumen. Ich hielt eine Handvoll
von den Blumen an ihre Brustwarze; die verfärbte sich in Hellorange, und Biggie
errötete. Dann hielt sie mir einen Strauß unter mein eigenes sonniges Teil. Ich
glaube, es wurde sofort dunkelgelb.
    »Eigentlich
gehört der Edsel gar nicht mir«, sagt Lydia Kindle. »Er gehört meinem Bruder,
aber der ist beim Militär.«
    Neue Gefahren,
wohin ich mich auch wende. Lydia Kindles kräftiger Bruder stürzt sich, eben von
den Green Berets [223]  zurückgekehrt,
auf mich und zertrümmert mir als Rache dafür, daß ich seine Schwester und
seinen Edsel entehrt habe, das Schlüsselbein.
    »Wohin fahren
wir denn?« frage ich sie nochmals und spüre, wie ihre strammen Schenkel unter
meinem Kopf auf und nieder hüpfen; die Straße muß recht holprig sein. Ich sehe
Staub an den Fenstern vorbeiwirbeln; ich sehe einen offenen Himmel, nicht von
Hochspannungskabeln zugeschnürt, von keinem einzigen Baum herabgebogen. »Sie
werden schon sehen«, antwortet sie mir und nimmt die Hand vom Steuer, um meine
Wange zu streicheln – ihr Handgelenk umspielt der schwache Duft eines
unschuldigen Parfüms.
    Dann in einen
niedrigen Graben, und wieder heraus; ich merke, daß wir jetzt auch die
unbefestigte Straße verlassen haben, denn an den Scheiben ist kein Staub mehr
zu sehen, und der Wagen sinkt auf der weichen Oberfläche tiefer ein; ab und zu
ertönt ein knackendes Geräusch, das in Iowa nur von Maiskolben oder den Knochen
eines Schweines herrühren kann. Jetzt fahren wir auch in eine andere Richtung,
denn die Sonne erwärmt meine Kniescheiben aus einem anderen Winkel. Dann höre
ich Geräusche, wie von rutschenden Reifen, wie von Gummi auf nassem Gras. Ich
befürchte, daß wir mitten in der Wildnis hängenbleiben, daß wir und der Edsel
von nun an bis in alle Ewigkeit in einem Sojasumpf stecken. »Und nur die Enten
stimmen ihr Klagelied über uns an«, sinniere ich, und Lydia wirft mir einen
besorgten Blick zu.
    »Ich bin mal
mit einem Typ hier gewesen«, erklärt sie mir. »Ab und zu kommt ein Jäger
vorbei, aber sonst keine Menschenseele. Und von den Jägern sieht man auf alle
Fälle immer die Autos.«
    Mit einem Typ? Ich frage mich, ob sie etwa schon
ihrer Unschuld beraubt wurde. Doch sie errät meinen Gedanken und sagt schnell:
»Ich mochte ihn nicht und hab mich sofort wieder zurückfahren lassen. Aber ich
weiß noch, wie wir hierhergekommen sind.« Und ihre Zunge schnellt einen
Augenblick hervor, um die Mundwinkel zu befeuchten.
    [224]  Dann
in den Schatten und einen Hügel hinauf; der Boden wird fester und holpriger;
ich höre, wie es unter dem Edsel knackt und rieche Kiefern – und das in Iowa!
Ein Zweig schlägt gegen das Auto, ich fahre hoch und knalle mit der Nase gegen
das Lenkrad.
    Als Lydia
anhält, befinden wir uns in einem Dickicht aus jungen Kiefern, umgefallenen
Bäumen, flachblättrigem Farn und schwammigen, halb erfrorenen Moospolstern.
Pilze gibt es auch. »Sehen Sie?« Sie öffnet die Wagentür und streckt die Füße
hinaus. Da draußen ist es kalt und naß; sie setzt sich, mit dem Rücken zu mir,
so hin, daß ihre Füße über der Erde baumeln.
    Wir sind auf
einem Hügel, mitten in einem wirren Dickicht von Bäumen und Gebüsch. Hinter uns
liegen abgeerntete Mais- und Sojafelder, vor uns, ein gutes Stück weiter unten,
erstreckt sich ein Teil des Coralville-Stausees, etwas anderes kann es nicht
sein; am Rand gefroren, in der Mitte offen und bewegt. Wäre ich ein Jäger, ich
würde genau hier Stellung beziehen, mitten im Farn, und auf träge Enten warten,
die diese Abkürzung von einem Futterplatz zum

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