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Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Die wilde Geschichte vom Wassertrinker

Titel: Die wilde Geschichte vom Wassertrinker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Da kam Vigneron zurück
und brachte dem geschwollenen Kind die Mutter wieder. Er hielt eine Akte in der
Hand. »Miss DeCarlo?« sagte er lächelnd. Sie stand schnell auf und wischte sich
die Tränen ab.
    »Ich habe
Tripper«, sagte sie zu ihm, und er starrte sie an. »Oder vielleicht auch nicht «,
fügte sie hysterisch hinzu, als Vigneron in ihrer Krankengeschichte blätterte.
    »Bitte kommen
Sie mit ins Sprechzimmer«, sagte er und führte sie schnell an uns vorbei. Dann
sah er mich an, als hätte ich ihr irgendwie diese Krankheit verpaßt, während
sie im Wartezimmer saß. »Sie kommen als nächster dran«, meinte er, doch ich
hielt ihn zurück, ehe er durch die Tür verschwinden konnte.
    »Ich werde mich
operieren lassen«, sagte ich und versetzte sowohl ihm als auch Tulpen einen
Schreck. »Ich will nichts weiter von Ihnen als einen Termin für die Operation.«
    »Aber ich habe
Sie noch gar nicht untersucht.«
    »Brauchen Sie
auch nicht«, entgegnete ich. »Es ist das alte Lied. Das Wasser hat nicht
geholfen. Ich will Sie erst wieder bei der Operation sehen.«
    [215]  »Nun«,
sagte er, und ich war hoch erfreut, zu sehen, daß ich seine perfekte Bilanz –
bei mir kam er nicht auf hundert Prozent! – durcheinandergebracht hatte, »in
zehn oder vierzehn Tagen«, sagte er. »Wahrscheinlich möchten Sie in der
Zwischenzeit ein paar Antibiotika haben, nicht wahr?«
    »Ich bleib beim
Wasser.«
    »Meine
Sprechstundenhilfe wird Sie anrufen, wenn im Krankenhaus ein Bett für Sie frei
wird, aber das dauert mindestens zehn bis vierzehn Tage, und wenn es Ihnen
wirklich schlechtgeht…«
    »Ach was!«
    »Sind Sie
sicher?« fragte er und versuchte zu lächeln.
    »Immer noch
hundert Prozent?« fragte ich ihn zurück, und er schaute Tulpen an und wurde
rot. Vigneron wurde rot!
    Nüchtern
drückte ich der Sprechstundenhilfe die Telefonnummer von Ralph Packer Films Inc.
und die von Tulpen in die Hand. Vigneron, der sich etwas erholt hatte, gab mir
eine Packung mit Kapseln, doch ich schüttelte den Kopf.
    »Bitte, machen
Sie keinen Unsinn«, sagte er. »Es ist für eine Operation immer besser, wenn Sie
frei von Infektionen sind. Nehmen Sie täglich eine davon, und dann kommen Sie
am Tag vor der Operation bei mir vorbei zur Voruntersuchung.« Jetzt war er
vollkommen geschäftsmäßig. Ich nahm ihm die Kapseln aus der Hand, nickte,
lächelte, winkte noch einmal kurz über die Schulter und ging mit Tulpen hinaus.
Ich glaube, ich bin regelrecht hinausstolziert.
    Und erst als
ich wieder auf der Straße war, überlegte ich, was wohl mit dem alten Mr. Kroddy
los war. Ob sie ihm einen neuen Schlauch einsetzten? Ich schüttelte mich, zog
Tulpens warmen, weichen Körper an mich und ging eng an sie gedrückt weiter; ihr
Atem war nahe genug, daß ich den süßlichen Pfefferminzgeruch wahrnehmen konnte,
ihr Haar streifte mein Gesicht.
    »Mach dir keine
Sorgen«, sagte ich. »Ich werde mich operieren [216]  lassen, und dann hab ich einen schönen neuen
Pimmel, nur für dich.«
    Sie schob die
Hand in meine Hosentasche, wühlte zwischen dem Kleingeld und meinem Schweizer
Taschenmesser herum. »Mach dir mal keine Sorgen, Trumper«, sagte sie. »Du alter
Pimmelsack, du gefällst mir auch so.«
    Und wir ließen
an diesem Tag Arbeit Arbeit sein und gingen in ihre Wohnung zurück, obwohl wir
wußten, daß Ralph im Studio auf uns wartete. Es war für Ralph immer eine
schwierige Zeit, wenn er von einem Projekt abließ und sich ein neues suchte;
das merkten wir an den verspäteten Honorarschecks und dem Zettel über dem
Telefon: TRAGT GEFÄLLIGST EURE FERNGESRPÄCHE IN DAS SCHEISSBUCH ( ↓ ) EIN!
    Tulpen ahnte
vielleicht, daß mehr als nur meine Gelüste nach ihr dahintersteckten, daß ich
an diesem Tag blaumachen wollte. Ralphs neues Filmprojekt interessierte mich
nicht, schließlich war ich das Projekt. Ein pedantisch abgesteckter Rahmen von
geplanten Interviews mit Tulpen und mir, und später hatte Ralph eine kleine
Episode mit Biggie geplant.
    »Also ich muß
dir sagen, Ralph, daß sich mein Enthusiasmus für dieses Projekt in Grenzen
hält.«
    »Thump-Thump,
hältst du mich nun für integer oder nicht?«
    »Es ist dein
Standpunkt, der noch zu klären wäre, Ralph.«
    Wochenlang
hatten wir nun schon an langweiligen Projekten für andere Filmproduzenten
gearbeitet und immer wieder Ralph Packer:
Retrospective! vorgeführt,
für Filmgesellschaften, Studentengruppen, in Museen und bei
Matineeveranstaltungen. Es war besser, wieder an einem richtigen

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