Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wilde Jagd - Roman

Die wilde Jagd - Roman

Titel: Die wilde Jagd - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
hat das, was sie gesehen hat, falsch gedeutet.« Mit einem Schulterzucken fügte Ytha hinzu: »Teia ist ein Kind. Kinder lügen nun einmal, wenn die Wahrheit dazu führen könnte, dass wir schlecht von ihnen denken.«
    »Ein Kind?«, wiederholte die Mutter des Mädchens ungläubig. »Ihr wart immerhin der Meinung, dass sie alt genug ist, um sein Bett zu wärmen!« Ihr Gesicht war blass vor Wut, als sie den Finger ausstreckte und quer durch die Höhle zeigte.
    Drwyn kam gerade aus dem Tunnel hervor, der ins Freie führte, und wischte seinen langen Dolch am Ärmel ab. Einen Augenblick lang glaubte Ytha, er habe ihn benutzt, doch dann erkannte sie, dass die Feuchtigkeit an der Klinge nur Wasser war. Schade, dass er diese kleine Schlampe nicht ein für alle Mal zum Schweigen gebracht hatte, aber eigentlich spielte es keine Rolle. Das würde der Winter erledigen.
    Dies war ihr Augenblick. Sie spürte es – es war der Augenblick, in dem alles gewonnen oder verloren wurde, und es prickelte auf ihrer Haut wie ein Weben der Kraft. Jetzt.
    »Deiner Tochter wurde vom Häuptling eine große Ehre erwiesen. Er hat ihr Geschenke zum Zeichen seiner Wertschätzung gegeben und wollte sie zu seiner Braut machen. Und wie hat sie es ihm vergolten? Mit Verrat.« Die ganze Versammlung hielt den Atem an. Ein wenig Wut kroch in Ythas Stimme. »Ja, mit Verrat! Sie hat das Clangesetz missachtet, dem Häuptling seine Großzügigkeit vor die Füße geworden und reitet jetzt nach Süden, um die Ungläubigen von dem Schicksal in Kenntnis zu setzen, das auf sie zukommt.«
    »Aber sie ist mitten im Winter aufgebrochen«, rief einer von Drwyns Kriegshauptmännern, ein grauhaariger, knorriger Mann mit mehr Narben als unversehrter Haut im Gesicht. »Sie wird den Schnee niemals überleben, oder die Wölfe werden sie holen. Ihr alle habt gesehen, was mit Joren passiert ist.«
    Andere Stimmen murmelten beipflichtend.
    Ytha stützte sich auf ihren Stab und betrachtete die Menge eingehend. »Wenn wir ihr gleichgültig sind, warum sollte sie uns dann nicht auch gleichgültig sein? Ich erkläre sie hiermit zur Ausgestoßenen. Wenn jemand von euch um sie trauern will, hat er dazu bis Sonnenaufgang Zeit. Danach wird ihr Name nicht mehr ausgesprochen. Teia ist nicht länger eine Tochter der Crainnh.«
    Drwyn trat neben sie und steckte seinen Dolch mit einem leisen Geräusch zurück in die Scheide. So leise, dass nur Ytha ihn hören konnte, sagte er: »Sprecherin? Auf ein Wort.«
    Nachdem sich die Menge zerstreut hatte und untereinander weiterdiskutierte, ging sie zu ihm in sein Gemach. Er hatte den Hemdsärmel aufgerollt und wusch die blutigen Kratzer auf seinem Handrücken über einer Waschschüssel. Ytha schloss den Vorhang hinter sich; die Ringe, an denen er hing, klirrten leise.
    Er schaute auf und runzelte die Stirn. »Ich habe vor, ihr zu folgen«, sagte er. »Ich nehme zehn Männer mit und bringe sie noch vor Sonnenuntergang zurück.«
    Bei der dunklen Göttin, der Mann war seit seiner Geburt nicht unbedingt klüger geworden. »Willst du mich etwa vor dem gesamten Clan zur Lügnerin machen? Sehr raffiniert, mein Häuptling.«
    »Ich will meinen Sohn haben!« Er warf das beschmutzte Tuch so heftig ins Wasser, dass es auf den Boden spritzte.
    »Ich weiß nicht, was für ein Kind sie trägt – es könnte auch ein Mädchen oder eine zweiköpfige Ziege sein! Ich konnte das Kind nicht ausforschen. Irgendwie ist es ihr gelungen, seine Aura zu verbergen. Wenn ich nicht ihren festen Bauch gefühlt hätte, wäre ich nie auf den Gedanken gekommen, dass sie bald ein Kind zur Welt bringen wird!« Das nagte noch an ihr. Woher wusste das Mädchen, wie man das machte? Obwohl das Eingeständnis schmerzhaft für sie war, wusste Ytha nicht, ob sie selbst so etwas tun konnte. Welche anderen Fähigkeiten hatte diese trügerische kleine Schlampe sonst noch erworben? Was hätte ich von ihr lernen können?
    Mit einem Grunzen nahm Drwyn ein Handtuch und trocknete sich die Hände ab. »Sie hat mir gesagt, dass es ein Mädchen ist, aber ich glaube ihr nicht. Ich glaube, sie hat es nur gesagt, damit ich sie nicht verfolge.«
    Ja, das war wahrscheinlich. Ytha betrachtete ihren Häuptling mit etwas weniger Verachtung. Du bist doch nicht ganz so dumm, wie du aussiehst, oder?
    »Ihr Bauch sieht sehr rund aus, aber ich habe sie nie nackt gesehen. Wie hat sie auf dich gewirkt?«
    Drwyn blinzelte. »Schwanger.«
    Männer! »Trägt sie das Kind niedrig, etwa so?« Sie beschrieb mit den

Weitere Kostenlose Bücher