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Die wilden Jahre

Die wilden Jahre

Titel: Die wilden Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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die meisten Fluggesellschaften erlaubten ihren Piloten wegen mangelnder Bodensicht das Landen nicht.
    Martin stand unter einer Gruppe Wartender, die nach oben starrte. Die Maschine aus New York war nicht zu sehen, aber zu hören, sie kreiste über dem Platz, weil die Besatzung hoffte, daß die Sonne doch noch durch das Wolkendickicht dringen oder der Wind es aufreißen könnte.
    Petra, die eine Schulmappe unter dem Arm trug, überließ dem Taxifahrer mit einer schnellen Geste das Wechselgeld und sah sich in der Halle um. Sie trug ein helles Tweedkostüm, Schuhe mit halbhohen Absätzen, viel Rouge auf den Lippen und viel Blau in den Augen. Sie hatte sich einen kurzen Haarschnitt zugelegt; ihr Lächeln war kindlich und natürlich.
    Martin sah sie nicht, und so betrachtete Petra einen Moment den großen schlanken Mann, in dessen Nähe sich die Flugplatzfotografen aufhielten. Sie verfolgte, wie ihr Vater devot gegrüßt wurde und die Huldigung meistens zerstreut erwiderte, nicht unfreundlich, aber gleichgültig: ein Mann, der unbeschränkt über Geld, Zeit, Kraft und Macht zu verfügen schien.
    Martin spürte Petras Blick und drehte sich um. Während Vater und Tochter aufeinander zugingen, griffen die Fotografen nach ihren Kameras, aber Martin winkte ab. Die Vierzehnjährige verfolgte, wie die Reporter unwillig, doch gehorsam auf den Schnappschuß verzichteten, und fragte lachend: »Stehen die Fotografen auch in deinen Diensten?«
    »Woher kommst du?«
    »Ich erfuhr bei deiner Firma, daß du hier bist – und da …«
    »Spionierst du mir nach?« unterbrach er sie.
    »Gewiß«, antwortete Petra und setzte damenhaft posierend hinzu: »Es wäre nett, wenn du mich zu einem Drink einladen würdest.«
    Sie gingen an die Espressobar. Die Vierzehnjährige schwang sich betont graziös auf den Hocker, schlug die Beine übereinander, lächelte. Der Kellner ließ die anderen Gäste stehen und fragte nach Martins Wunsch.
    »Bestell mir bitte einen jus d'orange.«
    »Orangensaft«, gab Martin die Bestellung weiter. »Wie steht es mit deinem Französisch?« fragte er.
    »Madame ist zufrieden, und sie ist eine ganz ausgezeichnete Lehrerin.«
    »Was macht Madame jetzt?«
    »Du darfst ihr nicht sagen«, bat Petra, »daß ich dir nachgefahren bin. Sie wäre sonst mitgekommen. Aber ich wollte mit dir allein sein.«
    »Warum?«
    »Ich habe mit dir zu sprechen«, erwiderte das Kind ernsthaft.
    »Bitte«, entgegnete Martin.
    »Nein, nicht hier … Wie gefällt dir übrigens mein Deux-pièces.« fragte Petra.
    »Sehr hübsch.«
    »Oder magst du mein Jumperkleid, du weißt schon, das blau-weiße Pepita, lieber?«
    »Pepita?« fragte Martin zerstreut.
    »Ach, du verstehst ja doch nichts davon«, antwortete sie schnippisch.
    »Was hast du mit deinen Haaren gemacht?«
    »Abgeschnitten.«
    »Warum?«
    »Weil du für kurze Haare bist.«
    »Wer sagt dir das?«
    »Hier.« Sie kramte in der Schulmappe, zog eine Illustrierte hervor, schlug das Heft auf und deutete auf ein Foto, das bei Martins Empfang geschossen worden war und ihn neben einer ungenannten Dame zeigte.
    »Hat sie vielleicht keine kurzen Haare?« – »Doch.«
    »Wer ist das eigentlich?«
    »Ob du's glaubst oder nicht«, antwortete er, sich Aschenbrödels erinnernd, »leider weiß ich es nicht.«
    »Ein Flirt?«
    »Was verstehst denn du vom Flirten?«
    »Mehr als du denkst«, erwiderte die Vierzehnjährige, »und nun zahle bitte, denn jetzt wird unser Gespräch ernst.«
    Martin warf ein Geldstück auf den Tisch, sah, daß Petra darauf wartete, beim Herabgleiten vom Barhocker gestützt zu werden, unterwarf sich ihrem Spiel, während sie sich zur Belohnung bei ihm einhängte.
    »Auf wen wartest du eigentlich?« fragte sie.
    »Auf die Frau eines Freundes.«
    »Ist sie hübsch?«
    »Sehr.«
    »Das dachte ich mir gleich – wenn du selbst zum Flugplatz kommst.«
    »Wie lange hast du Zeit?« fragte Martin.
    »Sicher länger als du«, entgegnete Petra. Sie zog den Vater in die Ecke mit den schweren Lederfauteuils und klagte: »Deinetwegen mache ich einiges mit.«
    »Zu Hause?« fragte Martin.
    »Ja«, antwortete Petra, »mit Mutti.« Spöttisch setzte sie hinzu: »Viel hält sie nicht von dir.«
    »Das ist bedauerlich«, entgegnete er.
    »Du bedauerst überhaupt nichts. Als Ehemann mußt du ein glatter Versager gewesen sein. Oder?«
    »Vielleicht«, sagte er lächelnd.
    »Als Vater bist du übrigens auch eine Null.«
    »Viele Komplimente am frühen Nachmittag.«
    »Bitte«, sagte sie, »aus

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