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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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Maul war kürzer und flacher als gewöhnlich. Er hatte die Ohren gespitzt und vorgelegt, seine ganze Aufmerksamkeit galt Jack.
    Nur Jack.
    »Du…?«, flüsterte Jack und beugte sich mit ausgestrecktem rechtem Arm dem Wolf entgegen. Sein Körper lehnte gegen das Steuerruder und drückte ihn zur Seite, und da knarrte das Boot, kränkte etwas, und mit einem Satz hatten sie die Strömung wieder, trieben mit dem Fluss, anstatt gegen ihn zu kämpfen.
    Jack sah Merritt und Jim an, die ihn beide angrinsten. Merritt sagte etwas über Jacks Steuerkünste, aber Jack wandte den Blick ab, stromaufwärts zu dem Stein, den sie jetzt hinter sich gelassen hatten. Der Wolf war weg. Er suchte das Ufer ab, aber das Tier war nirgends zu sehen, und Jack zweifelte schon an sich selbst. Die Schlucht hier war enger, die Wände steil. Wo es so etwas wie ein Ufer gab, waren es nur herabgestürzte Felsbrocken, die vom Fluss in seine eigene Form gespült worden waren. Soweit er erkennen konnte, gab es für ein Tier dieser Größe keinen Weg hier herunter.
    Sie fuhren weiter, bezwangen weitere Stromschnellen und näherten sich dem Thirty-Mile-River, dem Seitenarm, der sie zum Yukon selber bringen sollte. Jack fürchtete das Wasser nicht mehr. Etwas führte seine Hand, er wurde den Gedanken nicht los, dass der Anblick des Wolfs ihn dazu bewegt hatte, genau zum richtigen Zeitpunkt das Ruder herumzuwerfen.
    Das war ich nicht , dachte er, so gern er sich über das Lob der anderen Männer gefreut hätte. Nichts davon.
    Und je weiter sie sich von den tödlichen Stromschnellen entfernten, die sie eigentlich hätten umbringen sollen, desto besorgter wurde Jack.

KAPITEL 4

DAS WIRD SEIN TOD
    Als sie an dem Abend ihr Lager aufschlugen, war Jack still und in sich gekehrt. Der Wolf geisterte ihm noch durch den Kopf. Er war sich schon lange beobachtet vorgekommen, und jetzt, obwohl das Gefühl scheinbar weg war, spürte er immer noch diese wölfische Gegenwart in ihrer Umgebung. Das hier war ein vollkommen wildes Land, und obwohl er sich bewusst war, dass seine Anwesenheit die Umwelt beeinflussen konnte, machte ihm die Vorstellung zu schaffen, dass es auch anders sein könnte. Im Kampf Mensch gegen Natur war er sich sicher, dass der Mensch – ein Mensch von Entschlossenheit und Überzeugung so wie er – letztlich siegen würde. Nun war diese Gewissheit in ihm erschüttert.
    Merritt und Jim waren zuversichtlich und guter Dinge. Während die drei am Lagerfeuer saßen und ihre nassen Sachen trockneten, machten Jacks Gefährten Witze und sprachen über den Weg, der vor ihnen lag. Jack nickte zwar an den richtigen Stellen und brachte ab und zu sogar ein Lächeln zustande, doch hauptsächlich starrte er ins Feuer und versuchte, sich von dem Gedanken zu befreien, dass sich gerade etwas veränderte.
    Vielleicht lag es an der Kälte und dem Winter, der schneller denn je hereinzubrechen schien. Merritt und Jim zweifelten noch an Jacks Beobachtungen – sicher hätten sie noch mehrere Wochen Zeit – doch er spürte, wie sich alles verlangsamte. Als sie die Mündung des Thirty-Mile-River in den Yukon erreicht hatten, war dort Eis gewesen. Dünn und zerbrechlich zwar, aber ein Warnzeichen für Jack. Es war noch sehr weit, und er wusste ganz genau, was passieren würde, wenn das Eis ihre Reise unterbrechen würde.
    »Warum so griesgrämig, Jack?«, fragte Merritt. »War doch ein guter Tag heute. Wir haben das Monster geritten und gezähmt, oder?«
    »Das wilde Pferd gezähmt!«, sagte Jim und beide Männer lachten. In den Fausthandschuhen wärmten sie ihre Hände an den Blechtassen mit heißem Kaffee, und der Geruch der Bohnen hing wohlig in der Luft. Zusätzlich vernebelte der kondensierende Atem die friedliche Stimmung mit jedem Atemzug und jedem Wort.
    »Ihr wisst schon«, erklärte Jack. »Ich mache mir Sorgen wegen dem Eis.« Er stand auf und ging am Feuer auf und ab. »Ich mache mir Sorgen, weil es schon so kalt ist. Wegen dem Frost in unseren Bärten, der Kälte in meinen Zehen, der Taubheit in meinen Händen. Wenn wir bis zum ersten Schnee nicht in Dawson sind, stecken wir vielleicht monatelang fest. Und ohne Unterkunft sind unsere Chancen dann nicht so wahnsinnig gut.«
    »Jack …«, setzte Jim an, doch Jack fuhr fort. Es half, darüber zu reden, seinen Ängsten Luft zu machen. Oder vielleicht war es einfach gut, an etwas anderes als den Wolf zu denken.
    »Was machen wir, wenn wir festsitzen? Wir können denWinter nicht im Zelt verbringen. Dann werden unsere

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