Die Wildnis
ein Kind aus.
»Hau ab und kümmer dich nicht um Sachen, die dich nichts angehen!«, schoss einer der Männer zurück. Es waren zwei, die dem Jungen zusetzten. Der, der gesprochen hatte, war groß und kräftig, mit einem strubbeligen schwarzen Bart, der seine untere Gesichtshälfte bedeckte. Seine Augen waren hart, seine Haut blass und fleckig, und er trug einen langen grauen Mantel, den er jetzt zur Seite zog, um darunter die beiden Pistolen am Gürtel über seinen Hüften zu zeigen. Der andere Mann war kleiner, dünner und hatte ein Lächeln, das Jack bis ins Mark erschaudern ließ. Es fehlte ihm jegliche Spur von Menschlichkeit. Dieser Mann – mit seinen kurz geschorenen Haaren, sauber rasiertem Schnurrbart und breitem Hut – war so kalt wie das Herz dieses Landes, und Jack spürte eine unterschwellige Gewaltbereitschaft, die ihm die Haare zu Berge stehen ließ.
Hätten wir unsere Waffen bloß nicht bei Jim gelassen , dachte Jack. Dann sagte er: »Was geht euch der Junge an, dass ihr ihn so zurichtet?«
»Wir haben noch gar nicht angefangen, ihn zuzurichten. Dazu kommen wir gerade erst«, sagte der Kurze, seine Stimme klang wie das Kratzen einer Messerklinge auf Eis.
»Die wollen mir meinen Hund wegnehmen!«, rief der Junge. »Meinen Dutch . Ich hab ihn gefunden, ich hab ihn gefüttert, er gehört mir !«
Jack nickte dem Jungen zu, sagte aber nichts.
»Jack«, flüsterte Merritt. »Die sind bewaffnet.«
Der Kurze lächelte. Er hatte Merritt offenbar gehört und öffnete sein schwarzes Jackett ein wenig, um seinen Revolver zu präsentieren.
Jack lachte. Alle waren erstaunt – sogar Jack, denn eigentlich hatte er ein Knurren in sich aufsteigen gespürt –, und der großgewachsene Mann griff nach seinen Pistolen.
Hinter sich hörte Jack Merritt scharf einatmen.
»Lasst den Jungen in Ruhe«, meinte Jack beiläufig, ohne Drohung in der Stimme. »Kommt schon, was interessiert euch der Junge überhaupt? Und warum wollt ihr gerade diesen Hund, obwohl es in Dawson bestimmt jede Menge von solchen Hunden gibt, schätze ich. Seid ihr hergekommen, um Gold zu suchen und habt stattdessen euren Verstand verloren?«
Der Kurze hatte immer noch sein Lächeln aufgesetzt, aber seine Augen lächelten nicht mit. Der hat schon Einiges gesehen , dachte Jack, und nicht erst auf dem Yukon-Trail. Er fragte sich, wie viele Menschen dieser Mann wohl hatte sterben sehen. Und wie viele davon er selber umgebracht hatte.
»Archie«, sagte der Kurze ganz sanft.
»Wenn ihr wisst, was gut für euch ist,«, sagte der große Bärtige – Archie – und kam rasch die enge Gasse auf Jack zu, »dann macht ihr euch hier schleunigst vom Acker und …«
Jack trat ihm einmal fest zwischen die Beine. Archie kippte leicht nach vorne und stöhnte, dann drehte sich Jack zur Seite und schrappte mit dem Stiefel am Schienbein des Mannes entlang. Der schrie auf und stolperte zurück, doch Jack wusste, dass er jetzt zu Ende bringen musste, was er angefangen hatte. Er war am Hafen in genug Keilereien verwickelt gewesen, um zu wissen, dass eine Prügelei erst vorbei war, wenn einer am Boden lag. Für harte Burschen wie diese hier galt das erst recht. Er blickte den Kurzen an, um sicherzugehen, dass er – vorerst zumindest – nicht vorhatte, die Waffe zu ziehen. Dann stürzte Jack vor und schlug mit den Fäusten auf Archie ein.
Es war, wie auf eine Rinderhälfte einzuhämmern. Unter seiner dicken Kleidung war Archie ein kräftiger Kerl und so schwer, dass Jack sich wunderte, wie jemand, der auf dem Trail und in der Wildnis lebte, soviel Gewicht auf die Waage bringen konnte. Entweder war er ein sehr guter Jäger oder ein sehr guter Dieb.
Jack ließ ihm jedoch keine Zeit, um sich von dem ersten Angriff zu erholen. Als Archie gerade mit der Faust ausholen wollte, war Jack schon dicht an ihm dran und donnerte ihm die eine Schulter so in die Brust, dass er gegen die Hotelwand krachte. Die Bohlen ächzten, und Archie erwischte Jack mit einem wilden und ungenauen Fausthieb am Kinn.
Der Schlag traf ihn schmerzhaft und überraschend, doch Jack steckte ihn weg. Er trat und schlug, kratzte mit beiden Händen, und als er Archies Hand nach seiner Kehle greifenspürte, senkte er den Kopf und biss zu. Er schmeckte Blut, beißend und säuerlich.
Dutch, der Hund des Jungen, bellte. Während Jack Archie den letzten Kick verpasste, der ihn zu Boden brachte, hörte er ein vertrautes Geräusch: Metall auf Leder.
»Runter, Jack!«, schrie Merritt und Jack ließ sich
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