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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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ihn anknurrte. Dann sah er auf und fixierte nacheinander Hal, Merritt und Jack mit seinem kühlen Blick. Er hatte sich schon zusammengerissen, den Schmerz aus seinem Gesicht verbannt und durch sein lässiges Lächeln ersetzt.
    Es war Jack unheimlich, aber er versuchte, es nicht zu zeigen.
    »Dawson City ist nicht so groß«, meinte William, »aber der Friedhof schon.« Damit wandte er sich ab und ging die Gasse hinauf. Archie folgte ihm mit einem nervösen Blick zu Dutch, der sie immer noch im Auge behielt.
    »Tja«, bemerkte Merritt und hielt die Pistole hoch, als ob er nicht so recht wusste, was er damit anfangen sollte. Schließlich ließ er sie in seine Jackentasche gleiten. »Tja«, wiederholte er.
    »Konnte doch nicht einfach zusehen«, erklärte Jack leise und sah Hal an. »Alles in Ordnung?«
    Hal nickte, doch Jack erkannte, dass bei weitem nicht alles in Ordnung mit ihm war. Er war nicht nur vom Schock und Schreck des Überfalls zittrig und blass, er war außerdem schwach vor Hunger und trug wohl kaum die richtige Kleidung für diese Kälte. Wie auch immer er hier gelandet war, irgendetwas war unterwegs furchtbar schiefgelaufen.
    »Komm mit uns«, bot ihm Jack an.
    »Nein.« Hal kniete sich neben Dutch, und der Hund drückte die Nase an seinem Hals. Zwischen ihnen war Treue, vielleicht sogar Liebe, die kurzzeitig etwas in Jack aufblitzen ließen … Eifersucht? Trauer? Er wusste es nicht genau. Doch vor seinem geistigen Auge erschien wieder die große weiße Wildnis und der Wolf, der ihn begleitet hatte.
    »Bist du dir sicher, Hal? Das waren üble Kerle. Wenn dudenen wieder über den Weg läufst, werden sie dir vermutlich etwas antun.«
    »Ich kann auf mich selber aufpassen«, sagte Hal, seine Tapferkeit wurde aber durch seine bebende Stimme Lügen gestraft.
    »Na ja, wir werden hier wohnen, falls du es dir anders überlegst«, bot Jack an und nickte Richtung Hotel.
    »Es hat keinen gekümmert, was hier los war«, stellte Merritt fest. Er sah sich nervös zur Straße hin um. Die Hand mit der Pistole hatte er noch in der Tasche.
    »Es kommt auch keiner«, stellte Hal fest. »Es gibt hier zwar Mounties, aber die Polizei verbringt die meiste Zeit weiter im Norden, wo es noch wilder zugeht. In Dawson müssen wir oft schauen, wo wir bleiben.« Sein Blick verfinsterte sich.
    »Was machst du eigentlich hier?«, wollte Jack wissen.
    Der Junge sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, den Jack allzu gut kannte: Stolz.
    »Überleben«, erklärte Hal. Dann wandte er sich ab und pfiff nach dem Hund. Dutch folgte seinem Herrchen die Gasse entlang zur Hauptstraße zurück. Hal blieb stehen und sah sich noch mal um. »Und vielen Danke für die Hilfe.« Er nickte Jack zu, lächelte und wünschte noch: »Und viel Glück.«
    Dann war er fort.
    »Tja«, sagte Merritt wieder.
    »Ja«, stimmte Jack zu. »Tja.«
    Sie nahmen das einzige große Zimmer, das das Yukon Hotel noch frei hatte. Hinter dem Hotel standen Lagerschuppen, und Jack, Jim und Merritt verbrachten den Rest des Nachmittages damit, abwechselnd die Ausrüstung zu bewachen, während dieanderen ihr Gepäck durch die Siedlung zum Hotel schleppten. Als sie endlich fertig waren, streifte die Sonne schon den Horizont, und die Geräusche von Dawson hatten sich verändert. Die Straßen waren immer noch voll von fahlen, gespenstischen Schatten ehemals optimistischer, abenteuerlustiger Menschen, doch nun füllten sich die Kneipen immer mehr, und die Klänge von Musik und Feiern kämpften gegen den Eindruck an, den diese bleichen Gestalten machten.
    Jack und Merritt hatten Jim von ihrem Zwischenfall mit den beiden Männern erzählt, und er war wie Merritt dafür, an dem Abend lieber die Füße still zu halten. Doch Jack wollte nichts davon hören.
    »Wenn sie uns jetzt vertreiben«, sagte Jack, »haben sie gewonnen. Wenn die uns wieder über den Weg laufen, wissen sie genau, wer der Chef ist. Die werden sich das zweimal überlegen, ehe sie sich wieder mit uns anlegen.«
    Jim lag auf dem Bett, immer noch angezogen, aber schon halb eingeschlafen. Merritt sah auch bereit aus, ins Bett zu gehen.
    »Komm schon, Merritt«, meinte Jack. »Nur ein schnelles Bier?« Er konnte den Gerstensaft bereits auf den Lippen schmecken und den Geruch des Whiskys spüren, der golden und bernsteinfarben ins Glas gluckerte.
    Merritt seufzte, aber Jack wusste, dass die Verlockung, etwas trinken zu gehen, seine Bedenken überwinden würde. Sie wünschten Jim Gute Nacht und gingen in die Hotellobby

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