Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
Vom Netzwerk:
wiederholte Jack und nickte. Doch er wurde den Gedanken an den niedergeschlagenen Kerl nicht los und schwor sich, nicht länger als unbedingt nötig in Dawson zu bleiben.
    Sie gingen weiter die Straße hinauf und sahen Männer wie Frauen Pferdegespanne und Hundemeuten durch den Schlamm lenken. Sie gingen an einer Kneipe vorbei und hörten von drinnen fröhlichen Lärm, was Jacks Lebensgeister mehr weckte, als es sollte. Wenigstens hat irgendjemand hier noch Spaß am Leben , dachte er und schaute die geisterhaften Gesichterder Passanten auf der Straße an. Er sah zum Namen der Bar hoch, der an die Fassade gepinselt war: Die Dawson Bar. Wie originell. So wie bei der Front Street und dem Dawson Lebensmittel- und Bekleidungsmarkt schienen alle hier unterwegs ihre Fantasie verloren zu haben, sodass die Dinge rein nach ihrer Funktion benannt wurden. Dennoch versprach er, später am Tage die Dawson Bar aufzusuchen. Ein Drink würde ihm guttun, und Merritts Gesichtsausdruck, zusammen mit seinen etwas geweiteten Augen und der Zunge, die über die Lippen schnalzte, sagte ihm, dass dieser dasselbe dachte.
    Sie gingen an einem Laden vorbei, auf dem »Kaufe Goldstaub gegen Bargeld« stand. Merritt grinste, und Jack grinste zurück.
    »Da werden wir bald Kunden werden«, verkündete Merritt. Jack nickte und blickte durch das staubige Ladenfenster. Ein grauhaariger alter Mann saß in dem kleinen Raum an einem Tisch, eine Brille auf der Nase. Vor ihm auf dem Tisch stand eine Waage und ein Satz Gewichte. Der Mann schien gerade einzunicken, ansonsten war der Laden leer. Er schien nicht wirklich viel zu tun zu haben.
    »Jack!«, rief Merritt vor ihm auf dem Gehweg. Er deutete über die Straße aufs Yukon Hotel. Jack lächelte und brachte ein Kichern heraus. Der Name war vielleicht nicht besonders originell, aber beim Gedanken an ein Bett, ein heißes Bad und eine richtige Mahlzeit wurde ihm fast schon schwindlig.
    »Also los«, sagte er. »Wir nehmen uns Zimmer und helfen dann Jim, die Sachen herzubringen.«
    »Wie denn?«, wollte Merritt wissen.
    »Sieh dich nur um! Wir heuern uns Schlittenhunde an.«
    »Die werden wir kaufen müssen«, meinte Merritt finster.
    »Ach, komm schon! Wir sind vielleicht nicht ganz so weit gekommen, das geb ich ja zu. Aber trotzdem spüren wir noch den Hunger ! Nicht wie dieser arme Schlucker vorhin.« Jack winkte die Straße entlang in der Richtung, aus der sie gekommen waren. Er wusste jedoch, dass sein Freund recht hatte, und hatte schon eine Weile darüber nachgegrübelt. Sie hatten jede Menge Ausrüstung, aber nichts, um sie zu transportieren, und es war nur noch sehr wenig Geld übrig. Sie müssten entweder bei jemandem anheuern oder irgendwie anders an die Hunde und den Schlitten kommen, die sie für ihre Weiterreise brauchten.
    Darum würden sie sich später kümmern, beschloss Jack. Momentan …
    »He, Finger weg!«
    Die erhobene Stimme kam aus einer engen Seitengasse zwischen dem Yukon Hotel und einem Nachbargebäude, das sich stolz als Dawsons einzige Barbierstube und Wäscherei bezeichnete.
    »Gib uns den Hund, dann lassen wir dich in Ruhe.«
    »Er ist mein Hund, ich hab ihn gefunden, ich …«
    »Ach, gefunden hast du ihn, ja?«
    Jack eilte über die Straße und hörte Merritt direkt hinter sich.
    »Das geht uns nichts an, Jack«, warnte Merritt. Und obwohl Jack wusste, dass sein großer Freund recht hatte, war etwas an dieser sogenannten Stadt, das ihm bereits erheblich auf die Nerven ging. Es war die merkwürdige Antriebslosigkeit vieler seiner Bewohner, die falschen Fassaden vieler Gebäude, die willkürliche Art, wie die Straßen angelegt waren, als ob so etwas wie Ordnung hier keine Rolle spielte. Doch mehr alsalles andere war es wohl diese überall zu spürende Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Schwarzseherei, die ihn rasend machte. Er war gefährliche Gegenden gewohnt – der Hafen von San Francisco, die Landstraßen, auf denen er viele Monate unterwegs gewesen war, die furchtbaren vier Wochen, die er im Knast verbracht hatte –, doch da ging die Gefahr meistens von einzelnen Menschen aus. Hier war die ganze Stadt eine einzige Bedrohung. Einen flüchtigen Moment dachte er an die Wildnis, die hier gewesen war, ehe die ersten Landstürmer gekommen waren.
    Er fragte sich, was die Wildnis wohl von ihrer ungebetenen Anwesenheit hielt.
    »Hey!«, rief Jack. »Lasst den Jungen in Ruhe!« In Wahrheit war der Junge kaum mehr als ein oder zwei Jahre jünger als Jack, doch er sah noch wie

Weitere Kostenlose Bücher