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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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beschlossen, bewaffnet zu bleiben, zumindest solange sie in Dawson waren.
    Jack stürmte durch die Tür zum Hotel. Am Empfang war niemand zu sehen. Es war dunkel, und es hing ein schaler Geruch in der Luft, als wenn der Atem aller Gäste, die jemals dort gewohnt hatten, immer noch im Raum stünde. Im Stockwerk über ihnen hörte er Stiefel trampeln. Dann, Stille. Keine Schreie, keine Schritte mehr. Nur unheilvolle Stille.
    »Jack«, sagte Merritt, »Jim hatte seine Waffe bei sich, oder?«
    »Ja, hatte er«, antwortete Jack. »Aber er hat fast schon geschlafen, als wir zur Tür hinaus sind.«
    »Los, komm«, sagte Merritt. Der kräftige Mann schob sich an Jack vorbei die Treppe hinauf. Er nahm mit seinen langen Beinen zwei Stufen auf einmal. Sie hatten nach diesem ersten markerschütternden Schrei weder Schüsse noch Stimmen gehört.
    »Hier wohnen auch andere Gäste«, flüsterte Jack.
    »Die sind mir egal«, meinte Merritt, ohne sich umzudrehen. Er war jetzt oben am Treppenabsatz angekommen und ging links in den Gang zu ihrem Zimmer. Jack hielt mit ihm Schritt, sein Herz schlug schneller, alle seine Sinne waren hellwach, und es kribbelte ihn überall.
    Vor der geschlossenen Tür zu ihrem Zimmer blieben sie stehen. Keine der anderen Türen war offen.
    »Vielleicht hat nur jemand …«, raunte Jack achselzuckend und mit erhobenen Augenbrauen.
    »Ich konnte an der Stimme nicht erkennen, ob das ein Mann oder eine Frau war, du?«
    Jack schüttelte den Kopf.
    Merritt klopfte mit dem Lauf seines Revolvers an die Tür. »Jim?« Es kam keine Antwort. Er drückte sein Ohr an die Tür, lauschte, sah zu Jack und schüttelte den Kopf.
    »Vielleicht sollten wir …«, setzte Jack an, doch Merritt ging schon einen Schritt zurück, um die Tür einzutreten. Jack trat zur Seite.
    Die Tür schwang auf – wie es schien, war sie gar nicht zugesperrt gewesen –, prallte gegen die Wand, schwang zurück und erlaubte ihnen nur einen kurzen Blick auf das, was auf dem Bett lag.
    Merritt schnappte nach Luft, doch Jack war schon ins Zimmer gestürmt. Das war ich , dachte er, ich war das, alles meine Schuld , warum hab ich mich bloß eingemischt? Aber in einer Woge der Erleichterung erkannte er, dass Jim doch nicht tot war. Jim bewegte sich langsam. Ganz vorsichtig drehte er den Kopf nach links und dann wieder nach rechts. Sein Kissen war voller Blut, er hob eine Hand in einer abwehrenden Geste, sein kleiner Finger war in einem unnatürlichen Winkel nach hinten gebogen. Über seinem linken Auge klaffte eine Platzwunde, aus der immer noch Blut strömte.
    Jack blickte sich rasch in dem großen Raum um, sah aber niemanden im Verborgenen lauern, ging dann schnell aufs Bett zu. »Jim«, sagte er, und sein Gefährte öffnete das unverletzte Auge.
    Jim röchelte irgendetwas. Sein Auge weitete sich.
    Hinter sich hörte Jack das furchtbare, dumpfe Geräusch von Holz auf Fleisch und Knochen. Jemand grunzte, und bis er sich umgedreht hatte, lag Merritt an der offenen Tür am Boden. Hinter ihm im Gang stand Archie und grinste Jack an, während er Merritt die Keule in seiner Hand ein zweites Mal über den Kopf zog.
    »Guten Abend, Jack«, grüßte William und schlüpfte hinter Archie herein.
    »Ihr verdammten Hurensöhne«, Jack richtete die Pistole auf sie, wusste aber bereits, dass er nicht abdrücken konnte. William war bis auf seine Keule unbewaffnet, genauso wie Archie. Im dunklen Gang hinter ihnen näherten sich weitere Gestalten.
    Wenn er gewusst hätte, was ihm blühte, hätte er vielleicht doch abgedrückt. William erschossen, Archie getötet, und sich den Weg durch die Männer dahinter frei gekämpft. Im Nachhinein wäre das vielleicht besser gewesen.
    Doch im Moment wusste er nichts von dem, was kommen sollte. Er kannte nur die Gegenwart. Also ließ er die Waffe aufs Bett hinter sich fallen und hob die Fäuste, wie eh und je bereit zu kämpfen.
    Archie lachte und schlug mit seiner blutigen Keule in die linke Hand. Williams Lächeln war so lässig und unheimlich wie immer. Zwei weitere Männer betraten den Raum – fiese Typen, wilde Burschen mit brutalem Blick und den Narben ihres gewaltsamen Lebens auf der Haut. »Na, dann kommt mal,« sagte Jack.
    Und sie kamen.

KAPITEL 7

NUR DIE WILDNIS
    Er hatte sich wieder in einem schrecklichen Sturm verirrt. Der Schnee wehte und wirbelte um ihn herum, dichter, als er je für möglich gehalten hatte. Er spürte eher Nadeln anstatt weiche Flocken auf seiner Haut. Wenn er einatmete, drang ihm der Schnee in

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