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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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… und wurde immer größer und größer. Je mehr sie verschlang, desto größer wurde sie.
    Es fielen noch mehr Schüsse, dann sah Jack zwei Gestalten auf sich zulaufen.
    »Hierher!«, rief er, ohne darauf zu achten, ob es Sklaven oder Sklaventreiber waren. Einer fiel hin und wurde von etwas Undefinierbarem zertrampelt, sein Schrei erstickte am Boden. Der andere kam etwas weiter, aber nicht viel. Seine Arme und Beine schossen vor, als sein Körper zurückgerissen wurde, und gerade, als er verschwand – er wurde von irgendetwas Riesigem verdeckt –, sah Jack, wie sein Kopf auf dem Rumpf herumgedreht wurde.
    Er sah sich nach Merritt um, aber es war zu dunkel und ein zu großes Durcheinander, um einzelne Gesichter zu erkennen.

    Das Chaos ging etliche Minuten weiter. Eins der Zelte wurdehochgehoben, flatterte im Wind herab und landete auf dem Rest der Feuerstelle. Das Material schmorte und qualmte, fing aber nicht Feuer. Irgendjemand betete, sein Gebet dauerte eine ganze Weile. Vielleicht weil dieser Mann nicht zu fliehen versuchte, ließ ihn das Monster erst mal in Ruhe. Es massakrierte erst die, die wegrannten. Nach einer Weile hörte das Beten auf. Es ebbte langsam ab, anstatt ausgelöscht zu werden. Augenblicke später hörte man ein Knacken.
    Eine weitere Gestalt lief Richtung Waldrand. Erst dachte Jack, es sei ein Mann, dann erkannte er, dass es zwei waren, die sehr nahe beisammen liefen. Merritt!, dachte er und hoffte verzweifelt, das Gesicht seines Freundes zu sehen. Doch als sie näher kamen, sah er sie genauer – es waren Archie, nach seinem humpelnden Gang zu urteilen, und William, nach der Art und Weise, wie er dem Großen an den Schultern hing.
    Es war ein absurder Anblick, aber Jack schaffte nicht mal das geringste Lächeln. Vielleicht waren Williams Beine verletzt. Vielleicht hatte Archie auch in der größten Panik seinen Boss hochgehoben und war mit ihm losgerannt, der höchste Treuebeweis angesichts solchen Wahnsinns.
    Der Wolf drückte Jack immer noch zu Boden und knurrte, als die beiden Männer näherkamen.
    »Hier lang!«, rief Jack, und der Wolf knurrte wieder.
    Archie stolperte und fiel, William purzelte dabei ins hohe Gras. Zwischen den Bäumen, seine wahre Größe war durch die Bäume verborgen, sah Jack die drohende Gestalt des Monsters näher kommen.
    Hilfesuchend streckte Archie eine Hand aus. William stand auf, zog seine Pistole und erschoss ihn. Dann drehte er sich um und lief schnurstracks auf die Baumgrenze zu, von wo ausJack und der Wolf zusahen. Seinen Beinen fehlte nichts, wie es schien, aber als er näher kam, machte er eine Pause und kam stolpernd zum Stehen.
    Sieht er mich?, fragte sich Jack. Wahrscheinlich nicht, dafür war es zu dunkel. Doch Williams Augen waren weit aufgerissen. Er hob seine Hand, als ob er auf etwas deuten wollte, da packte ihn die Gestalt mit zwei riesigen Pranken und riss ihn in der Luft entzwei.
    Jack vergrub sein Gesicht in den Händen. Der Wolf lag auf ihm, als wollte er ihn verstecken. Trotzdem konnte er sehr wohl noch hören. Die Schreie hatten aufgehört, der Angriff war vorbei. Doch diese endlose Nacht war noch lange nicht zu Ende.
    Das Festmahl hatte gerade erst begonnen.

KAPITEL 9

DER SCHÖNHEIT IN DIE HÄNDE
    Als er nicht länger zuhören konnte, als ihm die schmatzenden und zerfleischenden Geräusche, die der Wendigo bei seinem Festmahl machte, zuviel wurden, sprang Jack auf und floh. Der Wolf ließ ihn entkommen. Die ganze Welt schien unter seinen Füßen zu kippen und um ihn herum zu verwischen, es fühlte sich so an, als sei er irgendwie vom Wachzustand in einen schrecklichen Albtraum gesunken, ohne den Übergang ins Reich der Träume bemerkt zu haben. Er konnte das Grauen, das er mit angesehen hatte, nicht mit seiner eigenen Lebendigkeit in Einklang bringen.
    Das konnte doch alles nicht wahr sein!
    Er schlitterte über den unebenen Boden und rannte nicht nur um sein Leben, sondern auch um seinen Verstand. Halbverhungert und schwer verprügelt, mit geprellten Rippen, tauben Beinen, einer vor Anstrengung brennenden Brust und einem Körper, der vor Erschöpfung zitterte, lief Jack London um sein Leben, und der Wolf lief mit ihm. Manchmal rannte das Tier an seiner Seite, dann lief es wieder mühelos vorneweg, schoss einen Blick zurück, um ihn weiter voranzutreiben.
    Das Geräusch seines unregelmäßigen Atems erfüllte seinen Kopf. Die Finsternis war bedrückend, das Mondlicht schwand, und seine Sicht verschwamm, als er den Kopf zur Seite

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