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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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mich ständig. Also lehnte er sich gegen den Stein zurück, sah in den Himmel, machte die Augen zu und zwang sich, sich zu entspannen. Der Gedanke wegzulaufen kam ihm, doch dann kreuzte etwas anderes durch seinen Kopf.
    Jacks Augen flogen auf. Er atmete tief durch, öffnete alle seine Sinne, ließ die Geräusche und Gerüche herein, das Gefühl und den Geschmack der Luft, genau wie Lesya es ihm gezeigt hatte. Und da wusste er, drei Meter hinter dem Stein lauerte ein Vielfraß.
    Er versuchte gleichmäßig zu atmen, obwohl sein Herz vor Aufregung raste. Jetzt kannst du es versuchen , dachte er und tastete mit seinen Gedanken vorwärts, begrüßte die Sinne des Tieres wie seine eigenen. Es hörte zu schnuppern auf und spürte seine Gegenwart, obwohl es ihn weder sehen noch riechen konnte. Jack erstarrte. Dann kreischte das Tier erschreckt auf, machte kehrt und floh zwischen die Bäume.
    Jack war erschöpft. Der Schweiß lief ihm übers Gesicht, der Rücken war nass. Es kam ihm so vor, als sei er gerade kilometerweit gelaufen. Keuchend lehnte er sich an den Stein und machte die Augen wieder zu.
    Er hörte ihre Schritte kommen und wusste, sie wollte, dass er sie hörte.
    »Es dauert eine Weile«, sagte sie.
    Jack öffnete die Augen. »Nach gestern mit dem Puma dachte ich …«
    »Da habe ich dir geholfen, Jack, weißt du noch?«
    »Stimmt«, sagte er, »das weiß ich noch«.
    Es dauert eine Weile . Aber vielleicht hatte er keine Zeit mehr. Diese erneuten Gedanken an die Zeit, die verstrich, erinnerte ihn an die Lage, in der er sich befand.
    Er lächelte Lesya an und ihm wurde klar, dass er mit seiner Flucht nicht mehr lange warten durfte.
    In dieser Nacht ging Jack allein in den Wald, und Leschiji kam, um ihn umzubringen. Der Gott des Waldes pflanzte Bäume um ihn herum, fing ihn in der Dunkelheit und stürzte Äste und Baumstämme auf ihn, während er die ganze Zeit Lesyas wunderschönen Gesang in der Ferne hörte. Er rief um Hilfe nach ihr, aber sie hörte ihn nicht. Leschiji zeigte sich als Finsternis zwischen den Schatten. Er war so alt, wie sie gesagt hatte, ein zorniger und eifersüchtiger Gott.
    Jack versuchte, mit seinen Sinnen jenseits des hölzernen Käfigs zu fühlen, wie er es gelernt hatte, aber er war nur ein sterblicher Mensch.
    Und als Leschiji ihm die spitzen Äste entgegenjagte und seine Füße damit durchbohrte, öffnete Jack den Mund, um zu schreien.
    Er schreckte auf, schnappte nach Luft und starrte die Dachbalken der lebenden Hütte an. In einem hölzernen Käfig gefangen!, dachte er. Lesya bewegte sich im Schlaf neben ihm. Gottseidank. Es war nur ein Traum.
    Jack atmete heftig und hastig, spürte immer noch den Schmerz in seinen Füßen, wo Leschiji ihn im Traum aufgespießt hatte, und versuchte sich zu beruhigen. Nur ein Traum. Es war nur …
    Da bewegte sich etwas.
    Jack versuchte, sich aufzusetzen, doch nun spürte er eine Last auf seinen Beinen, die ihn niederdrückte. Unter der Bettdecke bewegte sich etwas, der Schrecken knäulte sich in seinem Magen zu einem dicken Knoten. Der Atem blieb ihm im Halse stecken, und er langte mit einer zitternden Hand hinunter, um die Decke zurückzuschlagen.
    Im Mondlicht, das durchs Fenster schien, sah er das Ding, das ihn festhielt, über seinen Unterkörper gleiten und kriechen. Es schien in den lebenden Holzbohlen des Hauses verwurzelt zu sein. Die Gestalt blickte zu ihm auf, und er sah ihr Gesicht, aus Zweigen und Blättern, Moos und Rinde, und wusste, wer ihn gefangen hielt.
    Leschiji .
    Schlingpflanzen wickelten sich um Jacks Füße und Sprunggelenke. Er machte den Mund auf, um zu schreien, doch Leschiji hob eine Hand aus Zweigen, legte ihm einen knorrigen Finger über die Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen. Pssst … Es erinnerte Jack so sehr daran, wie Lesya ihn vor dem Wendigo gerettet hatte, dass ihm der Schrei im Hals stecken blieb. Leschijis Augen, dunkle Höhlen, die von Blättern umrandet waren, schlugen weit auf … und drehten dann zur Seite.
    Der Waldgott war nicht gekommen, um ihn zu töten. Doch wieso war er dann hier?
    Lesya erwachte und begann, ihren Geistervater anzuschreien. Dann kam endlich auch Jacks Schrei, doch es war nicht mehr der herzerdrückende Schrecken, den er eben noch verspürt hatte. Er war eher erstaunt, wie wütend sie war und wie Leschijis Augen sich plötzlich enttäuscht verdüsterten.

KAPITEL 12

DER FRIEDHOF DER LEBENDEN
    Sie versuchte, ihn zu beruhigen. Nachdem Leschiji unter Blätterrascheln und Holzknacken

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