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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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aus der Hütte geflohen war, ging Lesya ans Fenster und murmelte etwas, das sich wie ein Zauberspruch anhörte. Dann kam sie zu Jack zurück, nahm ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Sie setzte sich im Bett auf, damit er in ihrem Schoss liegen konnte.
    Ihr Geruch war stark, aber nicht mehr nur sinnlich. Nun hatte er auch etwas Düsteres, Gefährliches, Geheimnisvolles. Jack akzeptierte ihre tröstenden Worte und das sanfte Wiegen, weil er Trost brauchte, wenn er ehrlich war. Doch als die Nacht verflog und die Dämmerung in die Hütte drang, konnte er keinen Schlaf finden. Er starrte den Holzsplitter an, den er aus der Wand gehebelt hatte, und das frische, lebende Holz darunter. Er spürte Lesyas Furcht in ihrer Stimme, ihrer Berührung.
    Er wusste, er musste fliehen.
    An dem Morgen machte Lesya zum Frühstück Eier und Speck mit Brot, es war ein richtiges Festmahl.
    Hier in der Gegend gibt es doch keine Schweine , dachte Jack, obwohl es vermutlich Wildschweine gab. Hühner hab ichauch nie gesehen. Doch die Eier konnten von jeder Art Vogel stammen. Es gab überall Enten, man musste also nur wissen, wo sie ihren Nistplatz hatten.
    »Tut mir leid wegen meinem Vater«, sagte sie. »Er ist schon sehr lange nicht mehr in dieser Form erschienen. Ich dachte, er sei viel schwächer und weiter weg.«
    »Hast du deshalb Angst?«
    Lesya starrte ihn mit einem sanften Lächeln in ihrem beinahe makellosen Gesicht an. »Ich habe keine Angst, Jack.«
    Er nickte und aß weiter.
    »Wenn er wiederkommt …«
    »Danke«, sagte Jack und lächelte ebenfalls. »Er hat mich wirklich erschreckt, und wenn du nicht aufgewacht wärst …«
    »Er hätte dich umbringen können.«
    »Stimmt. Ich bin dir wirklich sehr dankbar, Lesya. Ich nehme deinen Schutz an und mache, was du für richtig hältst.« Er sah zum Fenster hinaus und brauchte seine Angst nicht zu spielen. Ich bin mir immer noch nicht sicher wegen der ganzen Sache .
    Lesya beugte sich über den Tisch und streichelte seine Wange. »Ich liebe dich wirklich, Jack.« Er lächelte sie an und berührte ihre Hand, doch er antwortete nicht. Sie wandte ihren Blick ab, und einen Moment lang tat sie ihm leid. Ich könnte sie lieben , dachte er, auch nach allem, was passiert ist . »Du bist etwas sehr Besonderes«, sagte er. Sie seufzte und machte sich an den Abwasch.
    »Ich gehe zur Quelle, mich waschen«, meinte Jack.
    »Ich kann dir hier drin warmes Wasser aufsetzen, wenn du willst?«
    »Die Kälte tut mir gut!« Er rieb sich die Augen und schüttelteden Kopf. »Sie hilft mir, wach zu werden und die Albträume zu verjagen.«
    Lesya nickte. »Also gut. Später zeige ich dir, wie man Fährten von Schlangen und Gifttieren verfolgt.«
    Jack zog sich seine Stiefel an und ging zur Tür, wo er stehen bleiben musste. Das ist meine Flucht , sagte er sich. Und wenn ich es wider Erwarten schaffe …
    Er drehte sich um und sah Lesya ein letztes Mal an. Sie stand am Herd, behielt den Wasserkessel auf dem Feuer im Auge und fuhr mit dem Finger ihren Teller ab, um den Specksaft und das Eigelb aufzuwischen. Ihr schlichtes Kleid stand ihr perfekt, und ihre vom Schlaf zerzausten Haare umrahmten weich ihr Gesicht. Sie war so schön, die schönste Frau, die Jack jemals gesehen hatte und vermutlich je sehen würde, und er wollte sie genau so in Erinnerung behalten.
    Sie sieht so normal aus , staunte er, weil er wusste, dass sie alles andere als das war.
    »Stimmt was nicht?«, fragte sie, als sie plötzlich merkte, dass er sie beobachtete.
    »Nein«, meinte Jack. »Ich hab nur gerade gedacht, dass ich dich liebe.«
    Ihr Lächeln war umwerfend.
    Und trotz allem, was er vorhatte, war Jack sich keiner Lüge bewusst.
    Er ging in Richtung Quelle über die Lichtung. Sie war ganz nah am dunklen Waldrand, aber nicht zu nah. Sein Herz raste, seine Beine zitterten vor Erwartung.
    An der Quelle begann er, sein Hemd aufzuknöpfen. Er blickte zur Hütte zurück. Lesya war am Fenster gerade noch zu erkennen. Das Licht der Morgenröte erhellte ihr Gesichtdurchs Glas. Er winkte ihr, sie winkte zurück, dann ging sie tiefer in die Hütte hinein.
    Jack rannte zu den Bäumen.
    Schlagartig veränderte sich alles. Die Möglichkeit seiner Flucht war nun Realität geworden, die Gefahr war ernst und drängend. Bei jedem polternden Schritt erwartete er, Lesyas warnendes Rufen hinter sich zu hören: Vorsicht vor meinem Vater, Jack.
    Jack hatte schon beschlossen, diese Warnung nicht zu beachten, falls sie kommen sollte. Es war eine Wette

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