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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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mit dem Schicksal, von der sein Leben und seine Zukunft abhing, doch seitdem Leschiji gestern Nacht erschienen war, war ihm einiges klar geworden. Seine Familie wartete daheim in Kalifornien auf ihn, dort war sein richtiges Zuhause. Das hier, alles, was er hier gesehen und getan hatte … das gab es nicht wirklich.
    Die Luft um ihn herum war still bis auf Jacks regelmäßiges Atmen. Von der Lichtung zu seiner Rechten erhoben sich ein paar Vögel in die Luft. Er widerstand der Versuchung, im Geist nach ihnen zu suchen. Er musste sich um seine eigene Flucht kümmern.
    Erst als er die ersten Bäume erreichte, hörte er Lesyas Stimme. Sie brüllte und wütete nicht, sondern schrie, ein hoher, unsäglich lauter Schrei, der Jack durch Mark und Bein fuhr und ihn schneller als je zuvor laufen ließ. Die Äste der Bäume peitschten ihm ins Gesicht, er rannte durch ein Spinnennetz, das sich so fest wie Schnüre anfühlte, sein Herz schien doppelt so schnell wie sonst zu schlagen. Ihm brach der Schweiß aus.
    Wieder kam der Schrei, noch lauter als zuvor, und am Ende davon hörte er das Wort JACK!
    Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er lief Schlangenlinien zwischenden Bäumen, fühlte und suchte nach Ungewöhnlichem im Wald um sich herum. Was wird sie tun?, fragte er sich. Wie wird sie mich bestrafen, wenn sie mich erwischt? Sein Weglaufen war die Absage an ihre Liebe und entlarvte das Versprechen, ihr zu vertrauen, das er ihr heute Morgen gegeben hatte, als Lüge. Am Anfang war sie ihm wie ein süßes junges Mädchen vorgekommen, aber nun war sich Jack nicht mehr so sicher. Jemand mit solcher Macht …
    Vor ihm rechts begann ein Baum zu fallen. Er hörte das Knacken seines Stammes nah am Boden wie Kanonendonner, dann geriet das gesamte Blattwerk in Aufruhr, als der riesige Baum umknickte. Er wich nach links und rechts aus, ehe er erkannte, dass es kein Entrinnen gab. In einer hilflosen Geste hob er die Arme vor sein Gesicht …
    … da hört der Baum auf zu fallen.
    Unter dem zerborstenen Stamm wuchs ein zweiter Baum empor und breitete die oberen Äste aus, um den umstürzenden Baum aufzufangen. Dieser neue Baum teilte sich in zwei Stämme, und die Gabelung war sehr stark. Die aufrechten Äste schienen sich im Morgenlicht fast zu kräuseln.
    Jack rannte weiter. Auf einmal wehte ein kräftiger Wind durch den Wald, wirbelte Blätter auf, pfiff ihm in den Ohren und erfüllte alle seine Sinne mit heftiger Wucht. Lesya!, dachte er, doch dann fühlte er eine kräftige Hand seinen rechten Arm packen und spürte die lederige Haut eines alten Mannes.
    Er sah nach unten. Dort war nichts, was Jack festhielt. Dennoch spürte er, dass er folgen sollte.
    Hinter ihm kam ein weiterer Schrei – viel näher diesmal –, und er hörte nun, dass er verfolgt wurde. Schwere Schritte im Wald, Bäume krachten vor seinem Verfolger aus dem Weg,dann erreichte Jack den oberen Rand einer Schlucht, strauchelte und bewahrte gerade noch das Gleichgewicht … bis ihn ein Windstoß hinabstieß.
    Du musst es sehen , flüsterte ihm im Fallen eine Stimme zu. Jack stürzte, umfasste mit beiden Armen seinen Kopf, um die Stimme nicht wahrnehmen zu müssen. Sie klang zu alt und zu unmenschlich, um sie zu akzeptieren, und sie lag zu weit außerhalb seines Erfahrunghorizonts, um sie anzuerkennen. Er landete am Boden der Schlucht und setzte sich langsam auf, während der Lärm, den sein Sturz verursacht hatte, allmählich abebbte. Dann sprach die Stimme wieder zu ihm.
    Du musst es sehen.
    Hastig wich Jack vor der Stimme zurück, doch als er aufsah, war nichts und niemand zu sehen. Nur die Bäume.
    Und dann sah er es, und begriff, warum er es sehen sollte.
    Die Bäume trugen ungewöhnliche Früchte.
    Während er in dieser Schlucht verzweifelt auf der Suche nach einem Fluchtweg war, um das nicht anschauen zu müssen, was er dort sah, hörte Jack zwei gewaltige Mächte um ihn ringen. Im Wald über ihm stürzten Bäume um, die Erde bebte, und ab und zu hörte er Lesyas schreckliche Schreie über das Schlachtfeld hallen. Ihr Geistervater Leschiji wehrte sie ab, damit Jack es sich ansehen konnte. Mit jedem Herzschlag begriff er mehr.
    Wo Zauber gewesen war, war jetzt nur noch Schrecken.
    Wo Jack die seltsamen Regungen der Liebe gespürt hatte, empfand er jetzt nur noch Abscheu, Furcht … und Mitleid. Bei allem, was Lesya getan hatte, tat sie ihm doch leid, denn sie war etwas, das nicht sein sollte. Ein Wesen aus Fleisch und Blutund etwas Unnatürliches, eine Missgeburt in der

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