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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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verließ sich auf sie. Er rannte nach Süden, ohne zu wissen, ob das die richtige Richtung war. Aber jeder Schritt in diese Richtung brachte ihn näher an sein Zuhause. Je weiter er lief, desto wichtiger erschien ihm das.
    Es kam ihm so vor, als habe er durch seinen wochenlangen Aufenthalt in der Hütte bei Lesya sein Zuhause verraten. Schon jetzt kam ihm die Zeit dort wie ein Traum vor, obwohl seine Schrammen und Wunden durchaus echt waren. Die Landschaft um ihn herum war zwar unwirtlich, aber doch irgendwie vertraut und nicht mehr durch Lesya beeinflusst oder verdorben. Erst jetzt, außerhalb des Waldes, wurde ihm klar, dass ihr Einfluss immer erkennbar gewesen war. Auch wenn er auf den ersten Blick nicht so offensichtlich war wie eine besondere Farbe oder ein spezielles Schimmern, oder die Art, wie die Schatten geworfen wurden. Aber er genoss es, wieder in der echten, unberührten Natur zu sein. Die Natur enthielt mehr als genug Zauber, fand er.
    Irgendwann konnte er nicht mehr weiterlaufen. Auf halber Strecke über eine weite Ebene setzte er sich ins hohe Gras, weit weg von allen Bäumen, und ließ sich auf den Rücken fallen. Er sah zum Himmel hoch und versuchte nach außen zu fühlen, wie es Lesya ihm beigebracht hatte. Er tastete mit allen Sinnen um sich und suchte seinen Wolf. Er erwartete nicht, dass esfunktionierte – vielleicht war es die ganze Zeit nur ihr Zauber gewesen –, doch dann hörte er ein Knurren, roch feuchtes Fell und spürte heißes Blut auf seinem Bauch und seinen Beinen.
    »Nein«, flüsterte Jack. Er setzte sich auf und blickte nach Norden, von wo er gekommen war. Nein.
    Er hätte nie gedacht, dass sein Begleiter und Beschützer verwundbar wäre. Doch nun war er verletzt. Mit jedem Herzschlag seines eigenen Herzens fühlte er den Schmerz des Wolfs wie einen leichten Nebel. Vielleicht konnte ein Wesen aus Rauch und Dunst nur durch ein Zauberwesen wie Lesya verletzt werden.
    Die Versuchung umzukehren war enorm. Doch was würde das bringen? Egal, wie verletzt der Wolf war, er hatte sich für ihn geopfert. Er selbst durfte das jetzt nicht wieder aufs Spiel setzen.
    Erschöpft, kalt, hungrig, verletzt und noch mehr am Ende, als nach dem Angriff des Wendigos vor etlichen Wochen, machte sich Jack wieder auf in die Wildnis.

KAPITEL 13

ZURÜCK AN DEN TATORT
    Männer und Frauen waren zu Tausenden dem Ruf des Goldes in den Norden gefolgt. Doch das Versprechen vom plötzlichen, sagenhaften Reichtum war bei Jacks Entschluss, in den Yukon zu reisen, nicht allein ausschlaggebend gewesen. Für ihn ging es genauso ums Abenteuer, dessen Lockruf er niemals widerstehen konnte. Doch was Jacks Fantasie wirklich beflügelte, war die Herausforderung. Für ihn war die Reise eine große Prüfung. Er sehnte sich danach, sich mit diesem rauen, ungezähmten Land zu messen. Er war nach Norden gekommen, um die Wildnis zu bezwingen.
    Nun musste er sich bei jedem Schritt die Frage stellen, ob ihn das bloße Überleben schon zum Herrn über die Wildnis machte. Seine Wegstrecke von Dyea nach Dawson war ein Triumph des Willens gewesen. Hinter jeder Ecke hatte eine tödliche Gefahr gelauert. Doch nun blickte er beinahe sehnsüchtig auf diese Monate des Hungers und der Entbehrung zurück. Seit seiner Ankunft in Dawson, als er sich mit den Männern angelegt hatte, die ihn und seine Gefährten versklavt hatten, hatte er mehr über die Wildnis gelernt, als ihm der eisige Winter am Ufer des Klondike River je beigebracht hatte.
    Zu Dutzenden starben Goldsucher in der Wildnis, und man hörte nie wieder etwas über ihr Schicksal. Im Lager am Fluss von diesem verfluchten Mistkerl William hatte der Wendigo Sklaven und Sklavenhalter gleichermaßen massakriert. Zahlreiche Männer waren durch die Verlockungen von Lesyas privatem Wald verführt worden und erlitten nun unter den Bäumen die Hölle auf Erden. Aber Jack London hatte sie alle überlebt.
    Und er fragte sich warum.
    Sein Weg führte ihn vorwiegend durch bewaldete Gegenden mit einigen hügeligen Graslandschaften dazwischen. Als er eine tiefe Schlucht erreichte, die ein tosender Fluss durch den Wald geschnitten hatte, kletterte er ohne zu zögern hinab. Die Steilhänge waren uneben, brüchig und mit Dornen und Lianen überwachsen, doch Jack stieg mit ungewohntem Selbstvertrauen hinab. Einmal explodierte links von ihm ein Habicht aus der Wand aus Grünzeug, und Jack spürte den Luftzug seiner Schwingen, als der Vogel sich majestätisch und wundervoll in die Luft erhob. Jack

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