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Die Wildnis

Die Wildnis

Titel: Die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Golden , Tim Lebbon
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einfach auf seinen Instinkt verlassen, und der sagte ihm, dass Lesyas Wald nicht so weit weg gewesen war von der Stelle, an der er gestürzt war, sonst hätte sie ihn nicht gefunden.
    Nachdem er die Schlucht überwunden hatte, fiel er in einen beständigen Trott. Der Wald war dichter, die Hügel niedriger, aber schroffer. Er musste sich konzentrieren, um sicher voranzukommen, ohne vom Weg abzukommen. Er sah viele Tiere, die ihn im Vorbeigehen beobachteten. Die meisten davon hätte er normalerweise nie bemerkt – sogar hier draußen in der Wildnis lernten die Tiere schon, vor dem Menschen auf der Hut zu sein.
    Nach einigen Stunden schätzte er, dass er zehn Meilen oder mehr zurückgelegt hatte. Er war zwar müde, doch Lesya hatte ihn in den letzten Wochen gut ernährt, und nun zapfte sein Körper diese Energiereserven an, die er gespeichert hatte.
    Die Symptome von Unterernährung und Skorbut waren verschwunden. Dennoch war er irgendwie bis auf seinen zähen inneren Kern reduziert und hatte jeden Anspruch auf bestimmte Bequemlichkeiten aus seinem früheren Leben abgestreift.
    Später am Nachmittag erblickte er durch die Bäume vor sich die silbern funkelnden Wellen des Flusses weit vor sich undverdoppelte das Tempo. Als er dann das Ufer erreichte, kniete er sich hin, um seinen Durst zu löschen. Er spritzte sich Wasser ins Gesicht. Durch den struppigen Bart, den er bekommen hatte, fühlte es sich wie das Gesicht eines Fremden an.
    Es war seine erste richtige Pause, seitdem er Lesya entkommen war. Erst jetzt wurde ihm klar, dass er ohne jede Ausrüstung und ohne Proviant geflohen war. Er hatte nichts zu essen und keine Waffen, um zu jagen, nicht einmal einen Feuerstein, um einen Funken zu schlagen. Jack hatte nur seine Stiefel und die Kleider, die er am Leib trug, nicht einmal eine Jacke, um sich zu wärmen, wenn es in der Nacht kalt wurde. Dennoch wusste er, dass er eine Möglichkeit finden würde, wenn er einen Hasen erlegen musste. Wenn er die Augen zumachte, spürte er sie in der Nähe und auch andere Tiere. Er war sicher, dass er etwas zu Essen anlocken könnte, wenn es darauf ankam.
    Doch bei der Vorstellung, auf den Waldzauber zurückzugreifen, den Lesya ihn gelehrt hatte, drehte es ihm den Magen um. Er wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben, sich völlig von ihrem Bann lösen, nie mehr die ungute Liebe fühlen, die er für sie empfunden hatte. Selbst jetzt sehnte sich etwas in ihm danach, die letzten hässlichen Tage auszuradieren und zu diesem Zustand des Glücks zurückzukehren, bevor Lesyas Einsamkeit ihre gefährliche Seite gezeigt hatte.
    Anstatt eine Pause einzulegen und hier sein Lager aufzuschlagen, folgte er dem Fluss nach Süden. Obwohl dieses Gewässer für ihn der Klondike war, war es eigentlich nur ein Seitenarm. Irgendwann würde er ihn an den tiefen, breiten Fluss führen, der die Lebensader des Yukon war. Ein weiterer Marsch entlang des Ufers des Klondike würde ihn dann nach Dawson City führen. Wenn er Glück hatte, würden ihre Ausrüstungund ihr Proviant noch im Schuppen des Hotels lagern, wo er, Merritt und Jim mit den üblen Typen aneinandergeraten und verschleppt worden waren.
    Die Erinnerung an sie machte ihn traurig. Seine Freunde und Feinde waren allesamt tot. Gute und böse Seelen, sie waren alle aus dieser Welt verschwunden, und jede von ihnen hatte einen Teil dazu beigetragen, Jack zu dem zu machen, der er heute war.
    Knapp eine Stunde später spazierte er ins verwüstete Lager der Sklavenhalter.
    Ein Adler schrie am Himmel über ihm wie als Bestätigung seiner Furcht, die er beim Anblick dieses Ortes empfand. Vielleicht hatte Jack, ohne es zu merken, nach dem Vogel gefühlt, der seinen Widerwillen teilte. Doch der Adler konnte im weiten Bogen über die Bäume zu den höchsten Wipfeln auf der anderen Seite des Tals weiterfliegen, während Jack hierbleiben musste.
    Der Bach, der entweder wie ein trauerndes Flüstern oder ein höhnisches Kichern klang, Jack war sich da nicht ganz sicher, rauschte vorbei, während er durchs Lager ging. Zelte und Bettdecken lagen verstreut, genauso wie die Schaufeln und Pfannen, mit denen sie im Fluss nach Gold gesucht hatten. Stiefel und zerrissene Jacken waren getränkt von getrocknetem Blut. Die Felsen und viele Stellen am Boden waren mit braunen Flecken von altem Blut bespritzt.
    Die verkohlten Überreste zweier Lagerfeuer waren in alle Richtungen zertreten und verteilt. Sättel und Satteltaschen ohne Pferde oder Esel lagen dort, wo man sie

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