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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Ringe unter den Augen hatte. »Und wie geht’s dir?«
    India schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, Fiona. Ich bin völlig durcheinander. Wahrscheinlich ist es immer noch der Schock. Maud ist vor fast sechs Wochen gestorben, aber es will mir einfach nach wie vor nicht in den Kopf. Für mich ergibt das alles keinen Sinn. Selbstmord, um Himmels willen! Das kann ich mir bei ihr einfach nicht vorstellen. Nicht bei Maud.«
    »Aber wenn sie morphiumsüchtig war, ist sie vielleicht nicht ganz bei Sinnen gewesen«, wandte Fiona ein.
    »Es ergibt trotzdem keinen Sinn«, entgegnete India. »Früher hat sie ziemlich regelmäßig Opium genommen, aber damit hatte sie Schluss gemacht. Zumindest fast. Vielleicht hat sie ab und zu noch eine mit Opium versetzte Zigarette geraucht, aber mehr nicht.«
    »Vielleicht hat sie wieder angefangen«, gab Fiona zu bedenken. »Max von Brandt, der Mann, mit dem sie vor ihrem Tod zusammen war, scheint das zu glauben.«
    »So muss es wohl gewesen sein«, sagte India. »Sie muss wieder angefangen haben, Drogen zu nehmen, und zwar mehr als je zuvor. Anders kann ich mir ihren Tod nicht erklären. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass sich Maud aus irgendeinem Grund das Leben genommen hat, am wenigsten wegen eines Mannes, wenn sie bei klarem Verstand gewesen wäre.«
    India trank ihre Tasse aus. Fiona goss ihr nach.
    »Sie hat alles mir hinterlassen«, sagte India. »Die Londoner Wohnung, das Anwesen in Oxford. Ich werde beides verkaufen müssen und auch das meiste ihrer persönlichen Sachen. Obwohl mir der Gedanke unerträglich ist. In ihr Haus zu gehen, und sie ist nicht da, ist einfach grauenvoll.«
    »Denk jetzt nicht darüber nach. Ich habe bereits einen Makler kontaktiert, um dir zu helfen. Den kannst du in ein paar Tagen treffen, wenn du dich von der Reise erholt hast. Und ich helfe dir auch bei Mauds Sachen. Wenn du willst, begleite ich dich, wenn du sie aussortierst.«
    »Wirklich? Aber das wäre zu viel verlangt. Ich habe dich schon mit den Kindern überfallen, obwohl ich wahrscheinlich in Mauds Haus hätte gehen sollen. Du hast doch schon ohne uns eine Menge um die Ohren.«
    »Jetzt sei nicht albern, und kein Wort mehr darüber, in Mauds Haus zu ziehen. Joe und ich möchten dich bei uns haben, und unsere Kinder auch. Sie waren völlig aufgeregt, als sie hörten, dass ihr kommt.«
    India starrte in ihre Teetasse. »Ich denke, ich gehe als Erstes zu ihrem Grab.«
    »Ich begleite dich. Wir nehmen den Zug«, erwiderte Fiona. Maud war in Oxford beigesetzt worden. Auf einem kleinen Friedhof in der Nähe ihres Landsitzes.
    India sah sie an, in ihren Augen stand plötzlich ein entschlossener Ausdruck. »Und ich werde zur Polizei gehen. Ich werde mir die Fotos des Gerichtsarztes zeigen lassen. Ich möchte mir selbst ein Bild machen. Die Einstiche in ihrem Arm sehen. Die blauen Flecken. Vielleicht hilft mir das, alles besser zu begreifen.«
    Fiona erschauerte bei dem Gedanken. Warum sollten ein paar Schwarz-Weiß-Fotos von Mauds leblosem Körper ihr irgendwelchen Trost spenden. Aus ihr sprach der namenlose Schmerz, der verzweifelt nach Antworten suchte.
    Fiona legte den Arm um sie. »Ich weiß, dass du außer dir bist, India, aber bist du dir sicher, dass du dir das antun willst? Wäre es nicht besser, Maud so in Erinnerung zu behalten, wie sie war – schön, witzig und voller Leben?«
    India lehnte den Kopf an Fiona und ließ ihrem Kummer freien Lauf.
    »Voller Leben«, schluchzte sie. »Ja, das war meine Schwester. Mein Gott, Fiona, was ist nur passiert?«

   43   
    W illa saß an einem Zweiertisch im Dorchester und nestelte an ihrer Serviette herum.
    Der Teeraum mit seinen niedrigen Tischen, den Silbertabletts und tiefen Sesseln war Albies Idee gewesen. Sie wäre nie hierhergekommen. Aber auch das war seine Idee gewesen, außerhalb des Hauses ihrer Mutter gemeinsam Tee zu trinken.
    »Warum, Albie? Warum können wir uns nicht im Salon unterhalten, um Himmels willen?«, fragte sie ihn am Morgen, als er das Treffen vorschlug.
    »Wir müssen reden, Willa, und das ist leichter, wenn Mutter nicht in der Nähe ist«, war seine Antwort.
    Damit hatte er recht. Sie verstanden sich immer noch nicht besonders gut, und ihr Schweigen oder ihre heftigen Auseinandersetzungen verstörten ihre Mutter.
    Willa war erleichtert, dass ihr Bruder schließlich reden wollte, und hoffte, er würde sagen, was er zu sagen hatte, und die Sache wäre dann endlich erledigt. Seit der Beerdigung ihres Vaters mied

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