Die Wildrose
ihrer Cousine, und Mrs Pillower bot dem sechsjährigen Wish die Hand an, aber der schüttelte den Kopf.
»Ich will nicht baden und hab auch keinen Hunger«, sagte er und versteckte sich hinter den Röcken seiner Mutter.
Mrs Pillower stützte die Arme auf die breiten Hüften und schüttelte traurig den Kopf. »Wirklich nicht? Wie schade! Die Köchin hat gerade einen köstlichen Beerenpudding gemacht. Mit einer Sahnehaube. Jetzt muss ich den ganz allein essen.«
»Nein, Pillowy, nicht!«, warf Patrick, einer von Fionas Zwillingen, ein. »Wir wollen auch was!«
»Und ich würde euch gern was abgeben, meine Süßen. Aber ich muss Master Aloysius baden und kann euch ja kaum allein in die Küche gehen lassen. Sonst reißt mir die Köchin den Kopf ab.«
»Ach, komm, Wish!«, sagte Patrick. »Geh doch baden. Das dauert bloß eine Minute, dann können wir alle Pudding essen!«
»Pudding! Pudding! Wir wollen Pudding!«, begann Michael, der andere Zwilling, zu rufen.
»Pudding«, sagte Wish feierlich und trat zögernd hinter seiner Mutter hervor. »Pudding!«, wiederholte er, bereits überzeugter.
»Das ist die richtige Einstellung«, antwortete Mrs Pillower. »Jetzt sag mir, möchtest du ein bisschen Zucker über deine Sahne gestreut haben? Ich jedenfalls schon. Das macht das Ganze ein bisschen knuspriger. Manchmal gebe ich auch ein paar frische Himbeeren drauf.«
»Ich mag Himbeeren«, meinte Wish schüchtern.
»Natürlich! Wer nicht? Nur Dummköpfe.« Mrs Pillower hielt inne und setzte eine besorgte Miene auf. »Aber du bist doch kein Dummkopf, oder?«, fragte sie Wish.
Der kleine Junge kicherte und schüttelte den Kopf.
»Hab ich auch nicht gedacht«, sagte Mrs Pillower. »Aber besser, man fragt nach. Man kann nicht vorsichtig genug sein heutzutage.« Behutsam nahm sie Elizabeth aus Indias Armen, und als sie anfing, unruhig zu werden, zog Mrs Pillower eine Rassel aus ihrer Tasche, woraufhin das Baby sofort wieder lächelte. »Ach, du bist ja patschnass«, seufzte Mrs Pillower. Dann wandte sie sich an India und fügte hinzu: »In einer Stunde bringe ich sie gewaschen, gefüttert und so gut wie neu zurück.«
India lächelte. »Danke, Mrs Pillower. Ich bin Ihnen sehr dankbar.«
Während Mrs Pillower mit Wish, Elizabeth, den Zwillingen und Charlotte nach oben ging, führte Fiona India in den Salon, wo bereits eine Kanne Tee, Scones und Kekse auf sie warteten.
»Mr Fosters Werk zweifellos«, sagte India, als sie auf den gedeckten Tisch blickte. »Wie geht es ihm?«
»Gut«, antwortete Fiona. »Er wird allmählich älter, wie wir alle. Der Hilfsbutler nimmt ihm die schwerere Arbeit ab, aber Mr Foster ist immer noch der Kapitän an Bord. Gott sei Dank. Es wäre das reinste Chaos ohne ihn.«
Die beiden Frauen setzten sich auf ein Sofa. India legte den Kopf an die Lehne, während Fiona Tee eingoss und ihrer Schwägerin eine Tasse reichte. »Der macht dich wieder munter. Sarah, die Zofe, packt deine Sachen aus. Wenn du dich ein bisschen ausgeruht hast, lässt sie dir ein Bad einlaufen.«
»Danke«, antwortete India. »Es ist schön, endlich hier zu sein, Fiona. Es gab Tage, da dachte ich, wir schaffen es nie. Zwei Wochen hat es von Kalifornien nach New York gedauert. Und dann noch mal drei von New York nach Southampton. Ich will nie mehr einen Zug, ein Schiff oder eine Droschke sehen. Zumindest nicht, bevor die Kinder erwachsen sind. Ich hatte keine Ahnung, dass Wish seekrank werden würde. Charlotte wurde es nicht. Wahrscheinlich weil sie ständig mit Sid auf dem Boot ist.«
»Wie geht’s meinem Bruder?«, fragte Fiona.
India lächelte. »Glücklich und zufrieden. Im einen Moment bringt er ein Kalb zur Welt, im nächsten geht er fischen, um unser Abendessen zu besorgen. Ich habe nie jemanden gesehen, der sich so schnell in ein neues Leben einfindet. Es ist, als wäre er in Port Reyes geboren. Wir alle vermissen ihn natürlich. Seit Wochen sind wir nun schon getrennt, und es wird Monate dauern, bis wir wieder zurück nach Hause fahren.«
»Ich wünschte, er hätte mitkommen können«, sagte Fiona.
»Das wünschte er auch. Wir alle. Aber wegen seiner Vergangenheit ist er nicht sicher in London.«
Fiona nickte. Ihr Bruder war viele Jahre lang Teil der Londoner Unterwelt und einer der führenden Gangsterbosse im East End gewesen. Viele seiner früheren Bekannten waren tot, aber es lebten auch noch eine ganze Reihe – und die hatten ein gutes Gedächtnis.
Sie sah India an, die dünn und blass war und dunkle
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