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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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schweifen. Wo blieb sie nur? Sie hätte doch schon vor einer Stunde hier sein sollen. Jetzt war es schon sechs. Sie hatten so wenig Zeit miteinander, und er wollte keine Sekunde ihres Zusammenseins verpassen, ganz zu schweigen von einer Stunde.
    Er hatte eine Überraschung für sie – einen Schlüssel für das Cottage am Ben Nevis. Erst heute Nachmittag war alles endgültig abgemacht worden, und der Makler hatte ihn ihm ausgehändigt. In ein paar Tagen würden sie nach Schottland fahren. Sieben gemeinsame Tage lagen vor ihnen. Sieben Tage Wandern und Klettern. Nachts den Sternenhimmel bestaunen und den Orion suchen. Am Feuer sitzen. Gemeinsam frühstücken. Lesen. Abwaschen. Sechs Nächte, um mit ihr zu schlafen, ohne auf die Uhr sehen zu müssen, und im Dunkeln neben ihr zu liegen und ihrem Atem zu lauschen.
    Jennie wirkte unglücklich heute Morgen, als er ihr von seinem Vorhaben erzählte, den Ben Nevis zu besteigen. Fast schien es, als wollte sie Einwände machen, aber dann hatte sie sich ein Lächeln abgerungen und ihm eine schöne Reise gewünscht. Einen Moment lang hatte er sich gefragt, ob sie einen Verdacht hegte. Aber warum? Er und Willa waren doch immer so vorsichtig gewesen. Waren nie ein Risiko eingegangen.
    Er sagte sich zwar, er sei albern, trotzdem ließ ihm irgendetwas keine Ruhe. Etwas, das er in ihren Augen gesehen hatte, als er sie in den Zug nach Oxford setzte. Kein Misstrauen, nein. Eher Traurigkeit. Eines Tages müsste Schluss damit sein, was er und Willa taten. Und vermutlich war dieser Tag nicht mehr in weiter Ferne. Aber noch nicht so bald, flehte er das Schicksal an. Bitte, noch nicht so bald.
    Es klopfte an der Tür. Endlich, dachte er. Doch als er öffnete, stand ein Page dort, nicht Willa.
    »Ein Brief für Sie, Sir«, sagte er und reichte ihm einen Umschlag. Es stand kein Name darauf, nur die Zimmernummer.
    »Ein Brief? Wann ist der eingegangen?«, fragte er.
    »Vor ein paar Minuten.«
    »Wer hat ihn gebracht?«
    »Das weiß ich nicht, Sir.«
    Seamie gab dem Pagen ein Trinkgeld und schloss die Tür. Dann riss er den Umschlag auf und zog den Brief heraus. Es war Willas Handschrift.
     
    Mein liebster Seamie,
    ich kann nicht mehr so weitermachen. Es ist nicht richtig, und das war es nie. Jennie verdient etwas Besseres. Ebenso Dein Kind. Es tut mir leid, wieder nur eine Nachricht zu hinterlassen. Aber wenn ich jetzt hinaufginge und mich persönlich von Dir verabschiedete, würde ich wieder das Falsche tun. Ich liebe Dich, Seamie. Das habe ich immer getan und werde es immer tun. Wo immer du in dieser weiten Welt auch hingehen und was immer du tun wirst, vergiss das nicht.
     
    Willa
    »Nun, wie es aussieht, scheint der Tag gekommen zu sein«, sagte er laut. »Noch früher als bald.«
    Er faltete den Brief zusammen, schob ihn in den Umschlag zurück und steckte ihn in die Brusttasche, nahe an seinem Herzen. Er war nicht wütend. Diesmal nicht. Er wusste, dass Willa recht hatte – dass sie den Mut gefunden hatte, das zu tun, wozu er nicht in der Lage war.
    Er wusste auch, dass er versuchen musste, sie zu vergessen. Dass er zu seiner Frau zurückkehren und sich bemühen musste, sie wieder zu lieben. Ihr ein ordentlicher Ehemann und ihrem Kind ein guter Vater zu sein. Sie brauchte ihn. Er hatte ihr ein Versprechen gegeben, einen Schwur geleistet.
    Vor langer Zeit hatte Willa ihr Bein verloren und gelernt, mit dem Verlust zu leben. Er hatte sein Herz verloren. Zum zweiten Mal nun. Und musste lernen, mit dem Verlust zu leben. Ohne sie – ohne die Frau, die seine Seelenverwandte war.
    Er goss sich noch ein Glas Wein ein und ließ sich Zeit beim Trinken. Er musste zu keiner bestimmten Zeit zu Hause sein. Jennie war auf dem Land. Als er ausgetrunken hatte, nahm er seine Sachen und ließ auf dem Tisch ein paar Münzen für das Zimmermädchen zurück. Unten bezahlte er die Rechnung und gab dem Empfang Bescheid, dass er das Zimmer nicht mehr benötigte.
    Die Dämmerung brach herein, als er das Hotel verließ. Der Türsteher fragte ihn, ob er eine Droschke wolle, was er verneinte. Es war ein milder Abend, er würde zu Fuß gehen. Er zog sein Jackett aus, hängte es über die Schulter und machte sich auf den Weg. Während er die dunklen Londoner Straßen entlanglief, sah er zum Himmel hinauf, aber kein Stern war zu sehen.

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    A lles, was es heute Abend noch gibt, ist der Schlafwagen nach Edinburgh oder der Zug zur Fähre«, sagte der Mann am Fahrkartenschalter.
    »Wann fährt der

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