Die Wildrose
Flugzeug überschlug sich noch ein paarmal und blieb dann auf der linken Seite liegen.
Willa spuckte den Sand aus dem Mund. »Dan«, rief sie heiser, bekam aber keine Antwort.
Wie betäubt und zitternd, kaum fassend, dass sie noch am Leben war, hob Willa den Kopf. Der Wind hatte sich gelegt, der Sandsturm war vorüber. Aber ihre Augen waren voller Sand – und Blut. Ihre Brille hatte sie verloren. Sie tastete nach der Kamera, doch sie war weg. Ihr war schwindlig, und sie holte ein paarmal tief Luft, um das Schwindelgefühl zu stoppen, als sie einen scharfen Geruch wahrnahm – Rauch. Das Flugzeug brannte.
»Dan … Dan, bist du da?«, rief sie erneut, wenn auch schwächer. Und wieder bekam sie keine Antwort. Er muss rausgeschleudert worden sein, dachte sie.
Sie setzte sich auf, keuchte vor Schmerzen in ihrer Seite auf und versuchte hinauszuklettern. Was ihr aber nicht gelang. Bis ihr einfiel, dass sie angeschnallt war. Sie löste die Schnalle und kroch aus dem Sitz. Es war schwierig. Das Gurtzeug an ihrer Prothese war bei dem Absturz beschädigt worden, und sie konnte ihr Bein nicht kontrolliert bewegen. Als sie schließlich draußen war, drehte sie sich um, um Dan herauszuziehen – und schrie auf.
Dan Harper war bei dem Aufprall enthauptet worden.
Ihr blieb wenig Zeit, ihn zu betrauern, denn dicker, erstickender Rauch quoll aus dem Motor. Schwer schnaufend und stöhnend vor Schmerz, taumelte sie vom Flugzeug weg.
In dem Moment sah sie die Männer – vier Beduinen mit vermummten Gesichtern, um sich vor dem Sturm zu schützen. Sie standen etwa zehn Meter von ihr entfernt. Und starrten sie an. Sie mussten den Absturz beobachtet haben.
Sie unterhielten sich in einem Dialekt, den sie nicht verstand. Und schrien sie an. Auf Türkisch.
O Gott, dachte sie. O nein. Sie standen im Dienst der Osmanen. Aber wie auch immer, sie durften keinesfalls ihre Kamera finden. Denn sie würden sie ihren Auftraggebern bringen, die Türken würden sehen, was auf dem Film war, und wissen, dass die Engländer das Lager am Jabal Ad Duruz entdeckt hatten. Aber wo war die Kamera? Panisch blickte sie sich um und sah sie etwa auf halber Strecke zwischen sich und den Beduinen auf dem Boden liegen.
Willa wusste, dass sie nur ein paar Sekunden hatte. So schnell sie konnte, humpelte sie darauf zu, doch einer der Männer, der ihre Absicht bemerkt hatte, erreichte sie schneller. Die anderen umringten sie.
Willa saß in der Falle. Sie durften sie nicht erwischen, denn sie würden sie samt Kamera zu ihren Auftraggebern bringen, und sie wusste genau, wozu die Türken fähig waren. Sie hatten Lawrence einmal festgenommen, als er in Amman spionierte. Sie hatten ihn ins Gefängnis geworfen, ihn geschlagen und vergewaltigt.
Sie zog ihr rechtes Hosenbein hoch und griff nach dem Messer, das sie dort festgeschnallt hatte, aber der erste Mann versetzte ihr mit dem Handrücken einen Schlag, dass sich alles um sie drehte. Sie stürzte zu Boden, und das Messer glitt ihr aus der Hand. Sie versuchte, sich hochzurappeln, erneut danach zu greifen, aber der Mann packte sie an der Rückseite ihres Hemds und riss sie zurück. Sie spürte seine groben Hände, als er ihr Hemd aufriss. Ihr Fatimas Halsschmuck abriss.
Erneut wollte sie nach dem Messer greifen, aber ein zweiter Mann kickte es weg. Zwei andere ergriffen sie an den Armen und zerrten sie auf die Füße. Sie wehrte sich und kämpfte verzweifelt, in der Hoffnung, die Kerle genügend wütend zu machen, um sie zu töten. Sie stieß Beleidigungen aus, überhäufte sie mit Flüchen. Bettelte um den Tod.
Bis eine Faust, die ihre Schläfe traf, sie schließlich zum Schweigen brachte.
55
V erdammt! Bist das wirklich du ?«, brüllte Teddy Ko.
Teddy stand in der Tür seines Büros in Limehouse. Mit seinem Nadelstreifenanzug, dem dicken Goldring und den diamantenen Manschettenknöpfen sah er wie der Inbegriff eines Ganoven aus.
»Ich dacht, ich hör nicht richtig, als Mai mir sagte, Sid Malone will mich sprechen! Der verdammte Sid Malone! Ich dachte, du bist tot. Das Letzte, was ich über dich gehört hab, war, dass du mit dem Gesicht nach unten in der Themse treibst.«
Sid rang sich ein Lächeln ab. »Man darf eben nicht alles glauben, was man hört, Teddy.«
»Komm rein! Komm rein!«, sagte Teddy und winkte Sid in sein Büro. »Mai!«, rief er seiner Sekretärin zu. »Bring uns Whisky. Und Zigarren. Und zwar sofort!«
Ganz wie er leibt und lebt, unser Teddy, dachte Sid. Ein echter
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