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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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weil er sich vor der Antwort fürchtete.
    »Mallory lebt noch. Zumindest habe ich das gehört.«
    »Gott sei Dank«, erwiderte Seamie. »Irgendwann, wenn diese verdammte Sache vorbei ist, gehen wir wieder klettern, Alb. Wir alle zusammen. Auf den Ben Nevis. Oder den Snowdon.«
    »Das wäre herrlich«, antwortete Albie wehmütig. »Wir könnten uns ein Cottage mieten. In Schottland oder Wales. Oder vielleicht im Lake District.«
    »Egal, wo, solange ein gutes Pub in der Nähe ist.«
    »O ja, für eine Platte mit Käsesandwiches und Branston-Pickles.«
    »Du bist wirklich ein Irrer, Albie«, entgegnete Seamie lachend. »Frag irgendeinen Mann hier, was er vermisst, und er wird sagen, Frauen, Bier und Roastbeef mit Soße. Aber du wünschst dir Branston-Pickles.« Plötzlich wurde Seamie wieder ernst. »Das machen wir, Albie. Wir alle zusammen. Du und ich, George und …, na ja, vielleicht doch nicht alle von uns.« Er schwieg eine Weile und fügte dann hinzu: »Hast du … hast du irgendwas von ihr gehört?«
    Albie seufzte. »Sehr wenig. Mutter hat Ende 1914 einen Brief bekommen – aus Kairo. 1915 ein paar weitere. Seither nicht mehr viel.«
    »Kairo? Du meinst, sie ist im Mittleren Osten?«
    »Ja. Sie ist mit Tom Lawrence hierhergekommen. Kannst du dir das vorstellen?«
    »Ja, das kann ich.«
    »Sie ist im September 1914 hier angekommen. Kurz nach Kriegsausbruch. Lawrence hat ihr einen Posten bei Allenby beschafft. Sie hat Karten gezeichnet. Ich habe einige davon gesehen. Sie sind verdammt gut. Dann hat sie die Stelle aufgegeben und Kairo verlassen. Genau zur selben Zeit, als Lawrence in die Wüste ging. Mutter hat sie geschrieben, sie reise weiter in den Osten. Das war das Letzte, was ich von ihr gehört habe. Wahrscheinlich ist sie nach Tibet zurück, aber ich habe keine Ahnung.«
    Albies Gesichtsausdruck wirkte gequält.
    »Ich hätte nicht nach ihr fragen sollen«, sagte Seamie. »Tut mir leid.«
    Albie lächelte reumütig. »Schon gut, alter Junge.«
    Mehr wurde nicht gesagt. Das war auch nicht nötig. Seamie wusste, wie schwierig Albies Beziehung zu seiner Schwester war. Ein Glück nur, dachte er, dass Albie nichts von seiner Liebschaft mit Willa kurz nach seiner Hochzeit mit Jennie mitbekommen hatte.
    »Also, wenn ich nur diese Zahlen finden könnte …« Albie durchwühlte einen Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch.
    »Albie, du hast mir noch nicht gesagt … warum zum Teufel hat dich London überhaupt hierherversetzt? Warum nach Haifa? Bist du strafversetzt worden? Hast du was vermasselt? Einen Code nicht geknackt?«
    Albie lachte bitter. »Ich wünschte, so wäre es. Dann würde ich Ferien machen. Mir einen hübschen Feldstecher kaufen und mir die Sehenswürdigkeiten anschauen.«
    Seamie, der aufgestanden und zum Fenster gegangen war, drehte sich um, als er den grimmigen Unterton in der Stimme seines Freundes hörte.
    »Was war es dann?«, fragte er.
    Albie sah Seamie lange an und erwiderte dann ernst: »Ich sollte dir auch das nicht sagen, aber ich werde es tun, weil auch dein Leben davon abhängt und weil du mir vielleicht helfen könntest. Aber du musst die Information für dich behalten.«
    »Natürlich.«
    »Wir haben einen Maulwurf in London. Und der ist sehr effektiv. Irgendwo in der Admiralität.«
    »Was?«, fragte Seamie. »Wie ist das möglich?«
    »Wir wissen es nicht. Wir haben alles darangesetzt, ihn zu enttarnen, jedoch ohne Erfolg. Ich kann dir aber verraten, dass wir fast sicher sind, dass jemand Informationen über unsere Schiffe ans deutsche Oberkommando weitergeleitet hat, und zwar seit Jahren. Am Anfang des Krieges Geheiminformationen über Bauweise und Schlagkraft unserer Dreadnoughts. Und jetzt Informationen über deren Position. Im Atlantik. Und hier im Mittelmeer.«
    Seamie lief ein kalter Schauer über den Rücken.
    »Lange Zeit hat sich Deutschland keine allzu großen Sorgen über die Front im Osten gemacht. Aber jetzt, nachdem Lawrence solche Erfolge in der Wüste erzielt – nachdem es jetzt aussieht, als könnte er tatsächlich Damaskus einnehmen –, schenken sie der Sache mehr Aufmerksamkeit. Offensichtlich gehen Nachrichten von London zu einem Kontaktmann in Damaskus. Wir wissen nicht, wie. Oder zu wem. Aber wir wissen, warum. Die Deutschen und die Türken wollen die Stadt halten, koste es, was es wolle. Sie wollen sie mit allen Mitteln verteidigen, was bedeutet, dass sie mit Lawrence und seiner Einheit kurzen Prozess machen werden. Wenn das geschehen ist, wollen sie

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