Die Wildrose
aufpassen, Fiona, und die Kinder herbringen – zumindest die jüngeren –, wenn die Krankheitsfälle zunehmen.«
»Das werde ich ganz bestimmt. Das musst du mir nicht zweimal sagen. Dann wirst du uns alle unterbringen müssen, einschließlich Mr Foster.«
»Das wäre doch herrlich«, entgegnete sie lachend. »Ich finde, das Cottage hier braucht einen Butler. Ein bisschen mehr Schick und Noblesse könnte uns wirklich nicht schaden.«
Die beiden Frauen plauderten weiter, während Fiona aß. Als sie fertig war, spülte sie das Geschirr und entschuldigte sich dann. »Ich bin hundemüde. Ich gehe auf mein Zimmer, schreibe Joe noch einen Brief, und dann falle ich ins Bett. Danke fürs Abendessen, India. Es war köstlich.« Dann fügte sie neckisch hinzu: »Und was gibt’s morgen Abend? Seeschnecken? Herzmuscheln?«
India lachte. Sie stammte aus einer reichen Familie, wo täglich edle Gerichte serviert worden waren, hatte sie Fiona einmal erzählt, aber da sie damals eine verwöhnte junge Dame war, hatte niemand erwartet, dass sie selbst kochen lernte. Erst nach ihrer Hochzeit hatte sie gelernt, in einer Küche zurechtzukommen, und Sid, ein Mann aus dem East End, mochte Hausmannskost. Sie konnte keine Steaks au poivre und keine pochierte Seezunge zubereiten, aber sie brachte eine ordentlich gebratene Wurst auf den Tisch, saftigen Rinderbraten und Nierenpastete und die besten Fish’n’Chips, die Fiona je gegessen hatte.
»Morgen mach ich dir Aal mit Püree«, erwiderte sie.
Fiona verzog das Gesicht. »Das isst mein Bruder doch nicht wirklich?«
»Ich fürchte schon.«
Fiona gab India einen Gutenachtkuss. »Es ist schon spät«, sagte sie. »Du solltest dir auch ein bisschen Schlaf gönnen. Er kommt sicher bald nach Hause. Mach dir keine Sorgen.«
India nickte. »Gute Nacht. Schlaf gut. Grüß Joe von mir.«
Sobald Fiona hinausgegangen war, verschwand Indias Lächeln. Sie griff in die Tasche ihrer Bluse und zog einen kleinen Buddha aus Jade heraus, den sie heute in einer von Sids Taschen gefunden hatte, als sie das Jackett aufhängen wollte. Sie konnte sich weder vorstellen, woher er ihn hatte, noch, was er damit machte. Sie sah ihn noch eine Weile an und steckte ihn dann zurück. Aus irgendeinem Grund löste er ein unangenehmes Gefühl, ja sogar Angst in ihr aus. Er wirkte wie ein böses Omen auf sie.
Um sich zu beschäftigen und von den angstvollen Gedanken abzulenken, stand India auf, räumte die Zeitungen beiseite, wischte das Spülbecken trocken und ging zur Hintertür, um das Tischtuch auszuschütteln.
Die Nachtluft war kalt, aber sie blieb ein paar Minuten stehen und starrte in die Dunkelheit, in der Hoffnung, Sid zu erspähen, wenn er die Auffahrt heraufkam. Und versuchte, Fionas Ratschlag zu folgen. Versuchte, sich keine Sorgen zu machen.
76
O Max! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Es ist wunderschön, und du hättest das nicht tun sollen, aber ich finde es herrlich, dass du es getan hast«, rief Willa aus.
»Es freut mich, dass es dir gefällt«, antwortete Max strahlend. »Es war höchste Zeit, dass du mal was anderes zum Anziehen kriegst als ein Krankenhausnachthemd.«
Willa saß inmitten von pinkfarbenen Bändern und Seidenpapier im Bett. Max setzte sich neben sie. Er war mit einem Arm voller Schachteln in ihrem Zimmer aufgetaucht, die Kalbslederschuhe, Seidenstrümpfe, seidene Unterwäsche und ein wunderschön geschnittenes Sommerkleid enthielten – alles in einem zarten Elfenbeinton.
»Wie bist du so schnell nach Paris und wieder zurückgekommen? Vor zwei Tagen hab ich dich doch noch gesehen!«, neckte Willa ihn.
Max grinste. »Die Näherinnen hier sind ganz erstaunlich. Sie können alles kopieren. Und in ein paar Läden gibt’s sehr feine Waren aus Europa.«
»Danke, Max. Wirklich. Du bist viel zu gut zu mir. Soll ich mich umziehen? Gehen wir wieder aus?«
Zwei Tage zuvor hatte Max sie mit einem Rollstuhl abgeholt und eine Stunde lang durch die Straßen von Damaskus gefahren. Sie gingen in den Souk, wo er ihr eine hübsche Kette kaufte, danach aßen sie in einem Café zu Mittag. Als Willa müde wurde, brachte Max sie ins Hospital zurück.
»So gern ich einen Ausflug mit dir machen würde«, erklärte er ihr, »kann ich das leider nicht. In einer Stunde treffe ich mich mit Jamal Pasha …«
Willa kannte den Namen. Jamal Pasha war der türkische Gouverneur von Damaskus.
»… aber vielleicht erweist du mir die Ehre, heute Abend in meinem Quartier mit mir zu
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