Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
Vom Netzwerk:
Heute Abend allerdings hat er mir einen zweiten Besuch abgestattet, als ich vor dem Hotel aus einer Kutsche stieg. Er wartete mit einer Waffe an der Tür auf mich und zwang mich, in seinen Wagen zu steigen. Er sagte mir, er sei in Paris gewesen und habe Josie gefunden, aber sie wollte ihm weder den Namen des Jungen verraten noch, wo er lebte. Dann drohte er, mich zu töten, wenn ich ihn nicht zu dem Jungen brächte. Also tat ich es und überlegte mir auf der Fahrt, wie ich ihn töten könnte, denn mir war klar, dass er nie Ruhe geben würde. Nicht bevor er James hätte. Und das wollte ich nicht. Ich wollte nicht die Entführung eines unschuldigen Kindes auf mein Gewissen laden. Ich wusste, ich könnte Bennie ausschalten, wenn es mir gelänge, die beiden zu trennen. James aus dem Fenster klettern zu lassen war eine große Hilfe. Bennie lief ihm nach. Ich sah ihn losrennen. Und dann ging ich Bennie nach. Ich schaffte es, ihm die Waffe abzunehmen und ihn mit dem Klappmesser zu töten, das Billy in meiner Hosentasche übersehen hatte, und warf ihn in den Kofferraum.«
    »Aber Max, woher kanntest du Billy Madden überhaupt? Und Josie Meadows? Und Binsey?«, fragte Willa.
    »Mr von Brandt weiß eine Menge Dinge, Willa«, warf Albie ein. »Zu viele. Er war schon vor dem Krieg Chef eines Spionagerings in London. Daher kennt er Madden. Er hat eines von Maddens Booten benutzt, um geheime Marineinformationen in die Nordsee zu schaffen. Er wird uns erzählen, was er weiß. Bis ins Kleinste. Hände hoch, Mr von Brandt. Sie sind verhaftet.«
    »Nein, das bin ich nicht.«
    »Ich habe eine Waffe. Und keinerlei Skrupel, sie zu benutzen«, sagte Albie drohend.
    »Sie werden mich nicht erschießen, Mr Alden«, erwiderte Max mit einem leicht gelangweilten Unterton in der Stimme. »Das können Sie gar nicht. Das Gewehr ist uralt. Der Abzug ist verrostet. Und Sie halten es nicht richtig. Vermutlich ist es nicht einmal geladen. Und selbst wenn, ich habe zwei Pistolen und bin der bessere Schütze. Ich erschieße Sie zuerst.«
    Albie weigerte sich dennoch, die Waffe zu senken.
    »Mr Alden, zwei Premierminister wären ziemlich verärgert über Sie, wenn Sie mich erschießen würden. Mr Asquith, der mich während des Krieges geschützt hat. Und Lloyd George, der noch immer seine schützende Hand über mich hält. Sie haben recht, Mr Alden … ich bin ein Spion. Aber ich arbeite nicht für Deutschland. Das habe ich nie getan.«
    »Mein Gott. Das … das heißt ja …«, stotterte Albie, als ihm die Tragweite des Geständnisses aufging.
    »Dass Sie ein Doppelagent sind«, sagte Seamie. »Zur Hölle mit Ihnen!«
    Max lächelte bedauernd. »Ja, Captain Finnegan, das ist es tatsächlich – die reinste Hölle.«

   122   
    W ann war das, Max?«, fragte Willa. »Wann hast du die Seiten gewechselt? Wann bist du Doppelagent geworden?«
    »Ich habe nie die Seiten gewechselt. Ich war schon immer ein Doppelagent«, antwortete Max. »Ich bin ein hochrangiges Mitglied des britischen Geheimdienstes, und zwar bereits seit einiger Zeit. Ich hatte die Anzeichen des drohenden Unheils schon lange gesehen. Ich sah, dass der Kaiser ein Verrückter war, der nur einen Vorwand suchte, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Wenn es nicht Sarajevo gewesen wäre, dann eben etwas anderes. Ich wollte alles in meiner Macht Stehende tun, um ihn aufzuhalten, um den Krieg zu verhindern.«
    Willa schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber wie? Wie hast du das geschafft?«, fragte sie. »Mir schien es in Damaskus ziemlich klar zu sein, auf welcher Seite du stehst. Jedenfalls nicht aufseiten der Alliierten. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass du ein Doppelagent bist.«
    »Es war schwierig«, gab Max zu, »aber ich musste eine Rolle spielen, und die spielte ich eben. Als Erstes musste ich Berlin überzeugen, dass ich loyal zum Kaiser stand. Das war relativ leicht. Ich hatte eine ausgezeichnete militärische Laufbahn hinter mir und wurde danach Mitglied des deutschen Geheimdienstes. Sie fanden heraus, dass ich Verwandte in London hatte, und wollten das ausnutzen. Also ließen sie mich mit meinem Onkel – einem Industriellen und Leiter unseres Familienunternehmens, der zudem als großer Unterstützer des Kaisers galt – einen Streit inszenieren. In einem Restaurant entzweiten wir uns in aller Öffentlichkeit, wegen meiner Unzufriedenheit über die Politik des Kaisers. Ein paar Tage später kam ich, von meinem Onkel verbannt, in London an. Aufgrund meiner

Weitere Kostenlose Bücher