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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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bringen kannst?«, fragte er.
    »Welchen Job?«
    »Dich langsam, aber sicher umzubringen. Das hast du doch immer versucht. Auf dem Everest. In der Wüste. Und jetzt offensichtlich mit einer Nadel. Ach, schau nicht so überrascht. Ich erkenne doch einen Süchtigen, wenn ich ihn sehe. Du musst damit aufhören, Willa.«
    »Das ist ja ein seltsamer Gefühlswandel, Max. Ich dachte, du wolltest meinen Tod. In Damaskus wolltest du mich persönlich umbringen. Ich habe den Befehl gesehen. Aus Berlin. Er lag bei den Karten, die ich von deinem Schreibtisch mitgenommen habe.«
    Max schüttelte den Kopf. »Ich befolge die meisten Befehle, aber nicht alle. Ich hätte dich nie getötet. Dich nicht. Ich hätte Berlin hingehalten. Ihnen vorgemacht, du hättest noch mehr wertvolle Informationen. Ich hätte dich vielleicht eine Weile eingesperrt, aber dich nie erschießen lassen. Das hätte ich nicht gekonnt. Das wäre so gewesen, als hätte ich mich selbst getötet.« Er schwieg einen Moment und fügte dann wehmütig hinzu: »Den besten Teil von mir, meine ich.«
    Jetzt senkte Willa den Blick.
    »Hör auf, Willa. Ein für alle Mal. Du bist hier. Seamie ist hier. Ihr wolltet doch immer zusammen sein. Du solltest jetzt bei ihm bleiben.«
    Willa lachte. »Nach allem, was passiert ist? Was ich seiner Frau angetan habe?«
    »Was du getan hast? Was hat Seamie denn getan, als er sich ständig im Coburg mit dir traf? Was hat Jennie getan, als sie ihn wegen seines Sohnes belog? Was habe ich euch angetan, Willa? Dir in Damaskus … Jennie … Dutzenden von Menschen.« Er machte eine Pause. »Denk an den Jungen. James wäre jetzt wahrscheinlich nicht bei seinem Vater, wenn du nicht gewesen wärst. Seamie wäre vermutlich tot. Ich bezweifle sehr, dass sich alles so entwickelt hätte, wenn du nicht hier gewesen wärst. Denk darüber nach, und vielleicht hilft es dir, die Sache eines Tages etwas abgeklärter zu sehen.«
    Willa sah ihn. Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Sei nicht dumm, Willa. Nimm alle Liebe, die du kriegen kannst in dieser elenden Welt. Es ist wenig genug. Ergreif sie mit beiden Händen. Um deinetwillen. Um Seamies willen. Und dem Jungen zuliebe.«
    Max nahm sie in die Arme, drückte sie an sich und küsste sie auf den Mund. Dann ließ er sie los. Es war Zeit zu gehen.
    »Leb wohl, Willa.«
    »Leb wohl, Max.«
    Er öffnete die Fahrertür des Autos und blickte zum Himmel hinauf, um sich zu orientieren, wie er auf die Hauptstraße zurückkäme. Dabei entdeckte er etwas, was ihn zum Lächeln brachte.
    »Willa!«, rief er ihr zu, da sie schon zum Cottage zurückging, und dachte an ihren Anblick in Rongbuk. Vor langer Zeit. Wie sie auf einem Felsen saß und in den Himmel starrte.
    Willa drehte sich um. »Was ist?«, fragte sie müde.
    »Schau!«, antwortete er und deutete nach oben.
    Sie folgte seinem Blick, und Max sah Tränen auf ihren Wangen schimmern. Hoch über ihnen spannte der Schütze seinen Bogen. Und in der überwältigenden, endlosen Nacht blitzte der Orion.

   Epilog   
    Kenia, September 1919
    W illa beobachtete Seamie und James, wie sie durchs Gras liefen und versuchten, einen Drachen steigen zu lassen, den sie aus Zeitungspapier gebastelt hatten.
    Sie saß auf der Veranda eines Bungalows. Das Haus war etwa zwanzig Jahre alt und stand inmitten eines schönen Gartens. Rosen rankten sich um die Veranda, die gerade in voller Blüte standen.
    »Wildrosen«, erklärte Arthur Wayland ihr, der Mann, der ihnen das Haus verkauft hatte. »Von einer Hecke in England und den ganzen weiten Weg bis hierhergebracht. Es waren die Lieblingsblumen meiner Frau, und sie ertrug es nicht, sie zurückzulassen. Sie haben sich hier prächtig entwickelt.«
    Erst letzte Woche hatten sie den Bungalow und die achtzig Hektar Land gekauft, die dazugehörten. Mr Wayland ging nach vierzig Jahren in Afrika nach England zurück. Seine Frau war gestorben. Seine beiden Söhne lebten in London. Es war an der Zeit für ihn, nach Hause zurückzukehren.
    Willa hatte sich sofort in das Haus verliebt. Es war nach Westen ausgerichtet und bot einen spektakulären Blick auf den Kilimandscharo. Endlich hatten sie ein Heim und mussten nach zwei Monaten auf Schiffen, in Zügen, Hotels und Zelten nicht mehr aus dem Koffer leben.
    Während sie Seamie und James beobachtete, fiel ihr auf, wie langsam sich Seamie bewegte. Die Narben von den Verbrennungen machten ihm immer noch zu schaffen. Auch Willas Bein tat noch weh. Das war auch der Grund, weshalb sie sich gesetzt

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