Die Wildrose
sie fragte, was sie da mache, meinte sie: ›Nun, wenn Sie es wissen wollen, meine Liebe, ich suche in den Kinderwagen nach meinem nächsten Mann!‹«
Joe verdrehte die Augen. Seamie lachte. Er goss sich Tee nach, aß den Rest seines Räucherfischs auf und sagte dann: »Also gut, Fee, ich mach mich jetzt auf den Weg. Ich habe heute viel zu tun. Ich möchte Admiral Alden noch einmal besuchen.«
»Wie geht es ihm?«, fragte Fiona.
»Schlechter, fürchte ich.«
»Das tut mir sehr leid. Wir werden ihn bald ebenfalls besuchen. In der Zwischenzeit richte ihm und Mrs Alden unsere besten Grüße aus.«
»Das mache ich, Fee. Und danach gehe ich zum Dinner in die Royal Geographical Society. Shackleton wird auch dort sein.«
»O nein«, sagte Fiona und runzelte die Stirn. »Nicht schon wieder. Du bist doch gerade erst zurückgekommen.«
»Schon möglich«, erwiderte Seamie grinsend. »Es geht das Gerücht, dass er eine neue Expedition zusammenstellt. Wartet mit dem Tee nicht auf mich. Ich bin erst spät wieder zurück.«
Fiona sah ihn nachdenklich an. Er kannte seine Schwester gut genug, um zu wissen, dass sie sich Sorgen machte.
»Seamie, mein Lieber …«
»Ja, Fiona?«
»Wenn du ohnehin in die Stadt fährst, könntest du mir einen Gefallen tun?«
»Ähm … ja.«
»Was soll das heißen? Ähm … ja? Ich wollte bloß, dass du einen Scheck bei den Wilcotts abgibst. Joe und ich machen Jennies Schule eine Schenkung.«
Katie blickte kichernd auf. »Croydon, ich komme!«, flötete sie.
Seamie beachtete seine Nichte nicht, sondern sah seine Schwester lange an. »Schon mal was von Postämtern gehört, Fee?«
»Ja, durchaus. Aber ich dachte, es wäre sicherer, das ist alles.«
»Also gut. Ich nehm ihn mit. Ich muss ihn ja nur in Reverend Wilcotts Briefkasten werfen, oder?«
»Nun, es wäre sehr nett, wenn du ihn den Wilcotts persönlich überreichen könntest. Schließlich handelt es sich um eine große Summe. Ich möchte nicht, dass der Umschlag verloren geht.«
Joe, der immer noch an seiner Rede bastelte, seufzte. »Geht es nicht noch ein bisschen offensichtlicher, meine Liebe?«
»Wieso?«, fragte Fiona mit Unschuldsmiene. »Du … du denkst doch nicht etwa, ich will ihn verkuppeln?«
»Doch«, antworteten Seamie und Joe im Chor.
Fiona zog eine Grimasse. »Na schön. Es stimmt. Aber was ist schon dabei? Jennie Wilcott ist eine reizende junge Frau. Jeder normale Mann würde ihr zu Füßen liegen.«
»Hör auf, Fiona«, sagte Seamie.
»Ich mach mir doch bloß Sorgen um dich. Ich möchte, dass du glücklich bist.«
»Ich bin glücklich«, antwortete Seamie. »Mir ist ganz schwindlig vor Glück.«
»Ach ja? Ohne eigenes Zuhause? Ohne Frau und Familie? Um Sid mach ich mir keine Sorgen mehr …«
»Der kann von Glück reden«, brummte Seamie in sich hinein.
»… aber um dich schon. Du kannst doch deine besten Jahre nicht einsam am Südpol verbringen, mit nichts als Eisbergen und Pinguinen zur Gesellschaft. Was für ein Leben ist das denn?«
Seamie seufzte.
»Ich möchte wirklich einfach, dass du glücklich bist, Seamie. So glücklich wie Sid und India. Wie Joe und ich. Ich möchte doch bloß …«
Fionas Worte wurden plötzlich durch einen lauten Knall unterbrochen. Darauf folgten Schreie, Fluchen, Bellen und Weinen.
»Verdammter Mist«, sagte Joe.
Zwei Sekunden später kamen die Hunde Tetley und Typhoo, jaulend und mit Farbe beschmiert, ins Esszimmer gerannt. Rose, Peter und die Zwillinge Patrick und Michael folgten ihnen und drückten sich an Charlie. Als Nächstes tauchten die drei Maler auf, die in Farbe gebadet zu haben schienen, dahinter Mr Foster, auch er mit Farbflecken auf der Kleidung.
Rose stampfte auf und schluchzte, dass alles Peters Schuld sei und er ihr Lieblingskleid ruiniert habe. Peter schob die Schuld auf Charlie. Charlie blinzelte unter den weißen Farbklumpen hervor, die von seinem Kopf auf seine Kleider tropften. Patrick und Michael heulten, beschuldigten aber niemanden. Sie suchten nur Trost – auf dem Schoß ihres Vaters. Joe versuchte, sie davon abzuhalten, aber kurz darauf war auch er voller Farbe. Die Hunde trotteten herum und hinterließen überall Farbspuren. Dann schüttelte sich einer, und ein Regen aus Farbspritzern ging auf Fiona nieder. Der Malermeister schwor, nie wieder in das Haus zurückzukommen.
Seamie schüttelte ungläubig den Kopf. Er war schon oft in die Antarktis gesegelt, bei rauer See, auf einem kleinen Schiff, mit Männern, Hunden und Vieh an Bord,
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