Die Wildrose
brauchte. Die Terrasse des Landsitzes war in Mondlicht getaucht. Niemand sonst war draußen.
»Gott sei Dank«, seufzte sie.
Die Stille und Kühle der Nacht beruhigten sie, aber ihre Hände zitterten immer noch ein wenig, als sie eine weitere Zigarette aus der Tasche nahm.
»Ich muss mich wirklich wundern über dich«, sagte sie zu sich selbst. Sie war doch viel zu alt für so ein Schulmädchengehabe. Zumindest glaubte sie das.
»Ah. Da sind Sie ja«, sagte eine Stimme hinter ihr. Eine warme, volltönende Stimme mit einem leichten deutschen Akzent. Maud drehte sich langsam um. Max stand ein paar Schritte von ihr entfernt. Er hielt eine Flasche Champagner in der Hand. »Ich dachte, Sie wären gegangen und ich würde nur noch Ihren goldenen Pantoffel finden«, sagte er.
»Ich … ich bin nach draußen gegangen. Um frische Luft zu schöpfen«, antwortete sie.
Max lächelte. »Ja, das sehe ich. Darf ich?«, fragte er und griff nach ihrer Zigarette.
»Was? Die? Nein, die schmeckt Ihnen nicht«, erwiderte Maud und verbarg die Zigarette hinter ihrem Rücken.
»Doch«, sagte Max. Er beugte sich nahe an sie heran, sodass sein Gesicht nur noch ein paar Zentimeter von ihrem entfernt war. Sie konnte ihn riechen – einen Geruch nach Champagner, Sandelholz und Leder. Er griff hinter ihren Rücken und zog ihr die Zigarette aus den Fingern. Dann nahm er einen tiefen Zug und stieß langsam den Rauch aus. Die Pupillen seiner braunen Augen weiteten sich. »Sie müssen mir den Namen Ihres Tabakhändlers verraten«, sagte er hustend.
»Geben Sie mir die Zigarette zurück.«
»O nein. Noch nicht.« Er nahm noch einen Zug und lächelte sie an. »Es ist sehr schön, Sie wiederzusehen. Das hatte ich nicht erwartet.«
»Ich auch nicht«, antwortete Maud. »Ihr Klavierspiel hat mir gefallen. Es war sehr schön.«
»Sie gefallen mir. Ihr Kleid ist wundervoll.«
Sie erwiderte nichts. Er spielte mit ihr. Neckte sie. Machte sich lustig über sie. Ganz sicher.
»Ein Abendkleid von Fortuny, nicht wahr?«
»Bravo«, antwortete sie. »Die meisten Männer können ein Fortuny-Kleid nicht von einer Tuba unterscheiden.«
»Amethyst ist Ihre Farbe. Sie sollten nur Amethyst tragen. Ich kaufe Ihnen ein Dutzend amethystfarbener Kleider. Ein seltenes Juwel sollte die beste Fassung haben.«
Maud brach in Lachen aus. »Ach, Max! Was für abgedroschene Phrasen Sie da von sich geben!«
Max lachte ebenfalls. »Ja, das stimmt, und was für eine Erleichterung, dass Sie das sagen.« Er nahm einen Schluck aus der Champagnerflasche. »Sie sind also eine Frau, die die Wahrheit hören möchte?« Er reichte ihr die Flasche und bedeutete ihr, einen Schluck zu trinken. »Also die Wahrheit ist: Ich möchte mit Ihnen schlafen. Das wollte ich schon, als ich Sie zum ersten Mal sah. Und ich werde nicht lockerlassen, bis es geschehen ist.«
Maud verschluckte sich fast an dem Champagner. Es gab nicht viel, was sie schockierte, aber das dann doch.
»Sie unverschämter Kerl«, sagte sie und wischte sich ein paar Tropfen vom Kinn. Dann reichte sie ihm die Flasche zurück und ging nach drinnen.
»Ich verstehe«, rief Max ihr nach. »Wie die meisten Frauen dachten Sie bloß, Sie möchten die Wahrheit hören. Hätte ich Sie anlügen sollen? Rosen und Konfekt schicken, Gedichte schreiben sollen?«
Sie blieb stehen.
»Sie sind Poesie, Maud.«
Langsam drehte sie sich wieder um. Dann ging sie zurück zu ihm, nahm sein Gesicht zwischen die Hände und küsste ihn. Hart. Und voller Begierde. Sie spürte seine Hand auf ihrer Taille, auf ihrem Rücken. Er zog sie an sich, und sie spürte die Erregung in ihm, in sich selbst, und plötzlich begehrte sie ihn, wie sie noch keinen Mann begehrt hatte. Wild. Verzweifelt.
»Wo?«, flüsterte sie.
»In meinem Zimmer«, sagte er. »In einer halben Stunde.«
Er drückte ihr einen Schlüssel in die Hand mit einer Nummer darauf. Alle Schlafzimmer in Kedleston waren nummeriert. Sie küsste ihn erneut, biss ihn in die Lippe und eilte schnell davon. Ihre Absätze klapperten auf den Terrassenfliesen, das Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Sie drehte sich nicht um. Kein einziges Mal. Also sah sie das Lächeln nicht, das um Max von Brandts Lippen spielte. Ein Lächeln, in dem Bedauern mitschwang. Ein Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.
12
R uhe! Ruhe!«, rief der Speaker des Parlaments und klopfte mit dem Hammer auf sein Pult. »Ruhe, bitte!«
Niemand hörte auf ihn. Auf beiden Seiten des Raums johlten und buhten die
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