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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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hin sowie auf die Gefahr, dass sich die Türkei mit Deutschland verbünden könnte, wenn es tatsächlich zu diesem Konflikt käme.
    »Was würde eine solche Allianz für unseren Verbündeten Russland bedeuten?«, fragte er. »Für die Balkanstaaten. Und vor allem für den Zugang Großbritanniens zu den persischen Ölquellen und unserer indischen Kolonie?«
    Einen Moment lang ging er auf und ab, damit sich jeder im Raum dieses düstere Szenario vor Augen führen konnte, dann fügte er ruhig hinzu: »Dasjenige Land mit der überlegenen Flotte wird das Land sein, das die Dardanellen kontrolliert, Gentlemen. Und das Land, das die Dardanellen kontrolliert, kontrolliert die Durchfahrt in den Mittleren Osten, nach Russland und in den Orient. Ich bitte Sie, heute für ein neues Großkampfschiff zu stimmen, um absolut sicherzustellen, dass dieses Land Großbritannien ist und nicht Deutschland.«
    Am Ende von Churchills Rede war es auf den konservativen Bänken nicht so still wie nach Joes Ausführungen. Stattdessen setzte ohrenbetäubender Lärm ein. Manche Tory-Abgeordnete pfiffen, jubelten, schrien und applaudierten. Joe dachte schon, sie würden jeden Moment Rule, Britannia! zu singen anfangen. Der Speaker zertrümmerte fast seinen Hammer bei dem Versuch, wieder Ruhe herzustellen.
    »Hm … arme Schlucker oder Schiffe? Was wird’s sein?«, fragte Lewis Mead Joe. »Ich weiß, wo mein Geld hingehen wird.«
    »Ich auch«, antwortete Joe. »Wenn es zu einer zweiten Lesung kommt, wird Winstons Vorlage angenommen und meine abgeschmettert. Winston hat alle überzeugt, dass die Deutschen kurz davorstehen, den Buckingham-Palast einzunehmen. Meine Schulen haben keine Chance, Lewis. Nicht gegen seine Schiffe.«
    Es wurde abgestimmt, und auch Churchills Gesetzesvorlage passierte die erste Lesung. Dann verkündete der Speaker die Mittagspause, und alle erhoben sich, um den Saal zu verlassen.
    Joe konnte natürlich nicht aufstehen, aber er konnte gut hören. Und während er in seinem Rollstuhl hinausfuhr, nahm er die Anzeichen drohenden Unheils ganz deutlich wahr. Denn er hörte die Unterhaltungen der Männer um sich herum. Der eisige Wind, von dem er erst vor ein paar Tagen in den Zeitungen gelesen hatte, wurde stärker. Ein Sturm braute sich zusammen, der von Deutschland über Europa und über den Kanal hinweg bis nach London wehte.
    Mehrere Abgeordnete traten auf ihn zu und gratulierten ihm zu seiner Rede. Unter ihnen der frühere konservative Premierminister A. J. Balfour.
    »Haben Sie Lust, einen Bissen essen zu gehen?«, fragte er Joe. »Ja? Großartig! Brillante Rede, die Sie da gehalten haben. Aber das kümmert die anderen hier nicht. Die sind alle vom Kriegsfieber angesteckt. Finden, es sei an der Zeit, dem Kaiser ein blaues Auge zu verpassen, und derlei Quatsch. Als Nächstes lässt Winston den ganzen Verein mit Helmen auf dem Kopf um den Trafalgar Square marschieren.«
    Joe nickte ernst. Balfour mochte scherzen, aber sie beide wussten, dass er recht hatte.
    »Jetzt kommen Sie, blicken Sie nicht so bedrückt drein«, sagte Balfour. »Das ist doch bloß Säbelrasseln. Wir werden uns da raushalten, denken Sie an meine Worte. Sie wissen genauso gut wie ich, dass ein starkes Militär das beste Mittel ist, einen Krieg zu vermeiden.«
    »Diesmal nicht, Arthur«, antwortete Joe mit einem bitteren Lachen. »Nicht mit diesem Verrückten in Berlin. Tatsächlich bin ich mir ziemlich sicher, dass es das beste Mittel ist, einen vom Zaun zu brechen.«

   13   
    M um hat mich über dich ausgefragt, Peter. Was du so machst … Und warum ich dich nicht mit nach Hause bringe, wie es sich gehört. Und ich hab mir gedacht … also, gehofft … du könntest vielleicht nächsten Samstag zum Tee kommen.«
    Max von Brandt blickte auf seine Hände hinab und dann wieder auf die hausbackene Frau, die ihm gegenübersaß. Er zögerte einen Moment – gerade lang genug, um ihr Angst einzujagen – und erwiderte: »Gern, Gladys. Sehr gern.«
    »Du kommst«, flüsterte sie ungläubig. »Ich meine, du würdest tatsächlich kommen! Das ist ja wundervoll. Meine Mum wird sich wahnsinnig freuen!« Sie sah ihn mit ihren braunen Augen hinter den dicken Brillengläsern schüchtern an. »Und ich erst«, fügte sie hinzu.
    Max lächelte sie an. »Wie wär’s mit noch einem Bier?«, fragte er. »Zur Feier des Tages.«
    »Ich sollte nichts mehr trinken. Ich hatte schon zwei«, antwortete Gladys und biss sich auf die Lippe.
    »Nein, du hast absolut recht, mein

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