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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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Mal Glück gehabt, verdammtes Glück«, sagte Burgess. »Das nächste Mal vielleicht nicht.« Er stand auf und begann, auf und ab zu gehen. »Wir müssen den anderen Mann finden – Stiles. Er ist der Topagent. Das weiß ich. Das sagt mir mein Gefühl.«
    »Wir arbeiten daran, Sir. Wir haben seine Sachen in dem Zimmer durchsucht, die Pensionswirtin und alle Gäste befragt, um eine Beschreibung von Stiles zu kriegen – seine Gewohnheiten, sein Bewegungsprofil, alles, was wir kriegen konnten.«
    »Sehr gut«, sagte Burgess.
    »Können Sie ihn denn erwischen?«, fragte Joe, beunruhigt von der Vorstellung, dass dieser gefährliche Mensch im Londoner Osten sein Unwesen trieb.
    Burgess antwortete eine Weile nicht, weil die Uhr von Big Ben laut und düster die Stunde schlug – Mitternacht.
    Als der letzte Schlag verklungen war, sagte er: »Oh, wir erwischen ihn schon, den gerissenen Burschen. Wir verfolgen ihn, mit Geduld und Umsicht. Wir stöbern ihn auf, und wenn er versucht, nach Berlin abzuhauen … peng! Dann schießen wir ihm mitten in sein schwarzes Verräterherz.«

   26   
    S eamie stand mit aufgerissenen Augen im Foyer eines hohen georgianischen Stadthauses am Bedford Square und wandte sich seinem Freund Albie zu.
    » Muss hier jeder exotisch und ausgefallen gekleidet sein?«, fragte er und beobachtete einen jungen Mann mit kajalumrandeten Augen, der, in eine Parfümwolke gehüllt und mit Seidentüchern geschmückt, vorbeirauschte.
    »Nein, sonst wären wir nicht hier«, antwortete Albie. »Man muss nur die Gastgeberin, Lady Lucinda Allington, kennen.«
    »Und wie kommt es, dass ein kurzsichtiger Streber wie du solche Leute kennt?«, fragte Seamie und lächelte unbeholfen, als ein Mädchen mit kurzem Haar, rot geschminkten Lippen und einer Zigarettenspitze kichernd blaue Rauchringe in seine Richtung blies.
    »Ich war mit Charles, Lulus Bruder, in Cambridge. Er ist vor ein paar Jahren gestorben, der arme Kerl. An Typhus. Das war ein furchtbarer Schlag für die Familie. Mit seiner Schwester bin ich weiterhin befreundet. Komm mit, wir wollen mal sehen, ob wir sie finden.«
    Seamie und Albie hängten ihre Mäntel auf und machten sich auf die Suche nach der Gastgeberin. Sie schlängelten sich durch die hohen, grell bunt gestrichenen Räume des Hauses, an allen möglichen grell bunt gekleideten Leuten vorbei, die sich unterhielten, tranken oder zur Musik, die von einem Grammofon erschallte, tanzten. Albie deutete auf verschiedene Maler, Musiker und Schauspieler und erklärte Seamie, wenn er nicht wisse, wer sie seien, spreche das nicht gerade für ihn. Sie fanden ihre Gastgeberin – Lulu – im Speisezimmer, wo sie sich von einem umwerfenden russischen Tänzer namens Nijinsky aus der Hand lesen ließ. Sie trug einen Seidenturban, eine pelzverbrämte Jacke und rote Pluderhosen, die in braunen Wildlederstiefeln steckten.
    Lulu war schlank, mit einem Schwanenhals, rotem Haar und haselnussbraunen Augen. Ihre Stimme klang tief und dramatisch, ihr Gesicht wirkte intelligent und lebhaft.
    »Albie Alden«, sagte sie und nahm seine Hand. »Warum um alles in der Welt bist du hier?«
    »Schön, dich zu sehen, Lulu«, antwortete Albie und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    »Warum bist du nicht beim Vortrag deiner Schwester?«, fragte sie. »Alle Leute, die ich kenne, sind dort. Virginia und Leonard, Lytton, Carrington …«
    »Alle?«, fragte Albie. »Was machen dann die vielen Leute hier?«
    Lulu sah sich im Raum um. »Ach, die. Das sind doch keine Leute. Sondern Schauspieler hauptsächlich. Oder Tänzer. Sie kommen gerade von irgendeiner Bühne und wollen nur so viel Champagner schnorren, wie sie können. Aber du … warum bist du nicht in der Royal Geographical Society?«
    »Habe ich dir schon meinen Freund Seamus Finnegan vorgestellt?«, fragte Albie.
    »Finnegan? Der Entdecker? Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen«, sagte Lulu. »Obwohl ich eigentlich dachte, Sie würden sich auch den Vortrag anhören. Interessieren Sie sich nicht für den Everest? Nachdem Sie am Südpol waren, hätte ich gedacht …«
    Albie nahm Lulus Hand aus der des Tänzers. »Na, was haben wir denn da? Ah, die Taktlinie. Verdammt kurz, nicht?«
    Lulu sah von Seamie zu Albie. »Oje! Willa ist wohl kein gutes Thema?«
    Albie lächelte wehmütig. »Die meisten Leute hätten das an meiner Zurückhaltung und an meinen geradezu übermenschlichen Anstrengungen, das Thema zu wechseln, erkannt. Nein, ist sie nicht.«
    »Tut mir leid. Ich hatte

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