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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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»Nein, lassen Sie mich raten … Katie hat einen Demonstrationszug zum Unterhaus angeführt, Rose hat eine Halskette genommen, ohne zu fragen, und jetzt heult sie, weil sie sie nicht mehr finden kann, und die Zwillinge sind vom Dach gesprungen.«
    »Ich wünschte, es wäre so, Madam. Außer natürlich, dass die Zwillinge vom Dach gesprungen wären. Aber ich fürchte, es ist etwas Ernsteres.«
    »Was ist passiert?«, fragte Fiona, sofort alarmiert. »Die Kinder … sind sie …?«
    »Den Kindern geht es gut, Madam. Es ist Dr. Hatcher. Sie wirkt sehr erschüttert. Sie ist im Salon und würde Sie gern sprechen.«
    Fiona sprang sofort auf und eilte an Foster vorbei die Treppe hinunter. Harriet Hatcher war nie erschüttert. Und auch kaum je besorgt. Sie ließ sich durch nichts aus der Fassung bringen – nicht von dem Blut und Eiter in ihrer Praxis, nicht von den Drohungen, die ihr bei den Wahlrechtsdemonstrationen entgegengeschleudert wurden, nicht einmal von der groben Behandlung, die sie nach den Verhaftungen erdulden musste. Wenn sie erschüttert war, dann musste wirklich etwas sehr Schlimmes passiert sein.
    »Harriet?«, rief Fiona, als sie die Tür zum Salon öffnete. »Was ist los? Was ist passiert?«
    Harriet saß aschfahl und zitternd auf einem Sofa. Ihre Augen waren gerötet vom Weinen. Fiona schloss rasch die Tür und setzte sich neben sie. »Was ist passiert?«, fragte sie erneut und nahm ihre Hand.
    »Ach, Fiona. Ich habe ganz schreckliche Nachrichten. Maud ist tot, und die Polizei sagt, es sei Selbstmord gewesen.«
    Fiona schüttelte ungläubig den Kopf. Sie hatte sich wohl verhört. »Das gibt’s doch nicht. Weißt du, was du da sagst? Du sagst, dass Maud … unsere Maud … dass sie …«
    »Sich umgebracht hat«, antwortete Harriet. »Ich weiß, wie sich das anhört, Fiona. Ich kann’s ja selbst nicht glauben, aber es ist wahr.«
    »Woher weißt du das?«, fragte Fiona.
    »Von einem Polizisten, der vor ein paar Stunden bei mir war. Er sagte, Maud sei heute Morgen von Mrs Rudge, ihrer Haushälterin, tot aufgefunden worden. Der Polizist hat Mrs Rudge befragt und sich Namen und Adressen von Mauds Familie und Freunden geben lassen. Alle werden vernommen. Wahrscheinlich kommen sie auch zu dir. Bei Max waren sie schon. Ihm geht’s hundeelend.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Der arme Kerl«, antwortete Fiona noch immer erstarrt vor Schock.
    »Er ist untröstlich und gibt sich die ganze Schuld.«
    »Gibt sich die Schuld? Warum?«
    »Offensichtlich hatten sie irgendeinen Streit, und er hat sich von ihr getrennt.«
    »O nein.«
    »O doch. Und es kommt noch schlimmer. Die Polizei glaubt, dass er der Letzte war, der sie lebend gesehen hat, also wird er heute noch mal von einem Inspector vernommen.«
    »Ich kann’s immer noch nicht glauben. Wie konnte Maud sich das Leben nehmen? Wie … wie hat sie …«
    »Mit einer Überdosis«, antwortete Harriet. »Morphium. Sie hat es sich injiziert. Die Polizei fand zwei Ampullen und eine Spritze auf dem Nachttisch. Der Gerichtsarzt hat Einstiche in ihrem Arm entdeckt.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie so was überhaupt kann.« Der Schock über Harriets Nachricht hatte ein wenig nachgelassen, und sie konnte wieder klarer denken. Daher versuchte Fiona jetzt, die Sache logisch anzugehen, um sich einen Reim darauf zu machen.
    »Es ist nicht schwer, sich subkutan zu spritzen, Fiona. Dazu muss man kein Arzt sein. Das kann jeder«, sagte Harriet.
    »Aber ich dachte, sie hätte das alles hinter sich, den Drogenmissbrauch, meine ich«, erwiderte Fiona. »Ich weiß, dass sie früher Opiumhöhlen besucht hat. In Limehouse. Vor Jahren. Und sie hat mit Opium versetzte Zigaretten geraucht. Aber eigentlich hatte sie damit doch aufgehört. Vielleicht gelegentlich noch mal die eine oder andere gepafft, aber die Ausflüge nach Limehouse gehörten eindeutig der Vergangenheit an. Dafür hatte India gesorgt. Sie war stocksauer, dass Maud dort hinging, und … ach, Harriet!«
    Fionas Stimme brach ab, sie bedeckte das Gesicht mit den Händen und begann zu weinen. Jetzt, da sie sich wieder ein bisschen gefasst hatte, wurde ihr klar, dass sie jemanden informieren musste, der von Mauds Tod absolut am Boden zerstört wäre. Noch viel mehr als Harriet und sie selbst.
    »Was ist, Fiona?«, fragte Harriet und legte den Arm um sie.
    »Wie soll ich ihr das bloß beibringen, Harriet? Wie nur?«
    »Wem?«
    Fiona nahm die Hände herunter. »Wie soll ich India erklären, dass ihre Schwester tot

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