Die Wildrose
verheiratet gewesen …«
»Nicht die Art Mädchen, die man seiner Mutter vorstellen möchte«, sagte Barrett.
»Nein, ganz und gar nicht. Ich hatte erst vor Kurzem eine Auseinandersetzung mit meinem Onkel, verstehen Sie. Er führt jetzt die Firma, die mein Großvater gegründet hat. Ich bin nach London gegangen, um mich abzulenken, aber ich weiß, dass ich eines Tages wieder zurückkehren, meinen Platz im Familienunternehmen einnehmen und eine passende Frau heiraten muss – eine respektable Frau aus einer angesehenen Familie, die mir viele Kinder schenken wird. Meine Mutter hat bereits ein paar Kandidatinnen für mich ausgewählt«, fügte Max mit einem bitteren Lächeln hinzu. »Maud wusste dies. Ich habe sie nie belogen. Ich war von Anfang an aufrichtig. Sie meinte, es mache ihr nichts aus, und eine Weile lang schien es auch so zu sein. Wir hatten eine sehr schöne Zeit miteinander, aber in letzter Zeit war sie unvernünftig geworden.«
»Wie das?«
»Sie begann, mich ständig zu drangsalieren. Sie wollte nicht, dass ich nach Deutschland zurückkehre. Ich sollte in London bleiben. Sie wollte mich heiraten. Sie sagte, ich bräuchte nicht zurückzugehen, um in die Firma einzutreten. Sie habe genügend Geld, um unser Leben auf sehr hohem Niveau zu finanzieren. Und das Geschenk brachte das Fass zum Überlaufen.«
»Warum?«
»Sie meinte, die Reise könnten unsere Flitterwochen sein. Ich weigerte mich, das zu akzeptieren, und sagte ihr, dass es aus sei zwischen uns. Daraufhin wurde sie sehr wütend. Sie schrie und tobte und begann zu trinken. Eine ganze Menge tatsächlich.«
»Sie sind ein seltsamer Zeitgenosse, Mr von Brandt. Viele Männer hätten doch nicht gezögert, eine reiche Frau zu heiraten. Eine Frau, deren Gesellschaft und erotische Reize ihnen gleichermaßen gefielen.«
»Sie haben ganz recht, Detective Inspector. Einige Männer hätten nicht gezögert. Man nennt sie Gigolos«, erwiderte Max kühl.
Barrett hob die Hand. »Schon gut, Mr von Brandt. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Erzählen Sie weiter, was dann geschehen ist.«
»Maud wurde sehr betrunken. Ich wollte nicht mehr hören, was sie von sich gab, und hielt es für das Beste, sie nach Hause zu bringen. Was ich tat. Und den Rest wissen Sie.« Max schwieg ein paar Sekunden und fügte dann hinzu: »Sie sagte mir, dass ich es bereuen würde. Und sie hat recht behalten. Es tut mir leid. Sehr sogar. Ich hätte nicht Schluss machen sollen. Das hätte ich auch nicht getan, wenn ich gewusst hätte, wie labil sie war.«
»Haben Sie irgendeine Idee, woher sie das Morphium hatte? Es war sehr hoch konzentriert, höher, als es in Apotheken angeboten wird.«
»Nein. Ich wusste, dass sie Drogen nahm, ziemlich regelmäßig sogar, aber ich weiß nicht, wie sie sich den Stoff beschaffte.« Dann fragte er zögernd: »Detective Inspector Barrett?«
»Ja?«
»Ich weiß, dass sie manchmal mit Opium versetzte Zigaretten rauchte. Einmal sagte sie mir, die besorge sie sich an einem Ort namens Limehouse. Hilft Ihnen das weiter?«
Barrett lachte. »Mr von Brandt, in Limehouse gibt es Hunderte Orte, wo Miss Selwyn-Jones diese Zigaretten gekauft haben könnte. Und das Morphium auch.« Er schraubte die Kappe seines Füllers zu und schloss sein Notizbuch. »Danke, dass Sie mir so viel Zeit geschenkt haben, Mr von Brandt. Wir werden Sie nicht mehr belästigen.«
Barrett stand auf. Max ebenfalls. Er brachte Barrett zur Tür und öffnete sie.
»Also, wenn Sie Miss Selwyn-Jones geheiratet hätten, und sie wäre dann gestorben – eine reiche Frau wie sie –, hätten wir mehr Fragen gestellt«, sagte Barrett. »Aber wie die Dinge liegen, hatten Sie kein Motiv. Nicht das geringste. Miss Selwyn-Jones’ Tod war Selbstmord, schlicht und einfach. Den Zeitungen wird das nicht gefallen. Die sind immer auf reißerische Geschichten aus, auf irgendein ruchloses Motiv, wie man es aus drittrangigen Kriminalromanen kennt, aber manchmal ist ein Todesfall eben nichts anderes, als wonach er aussieht – traurig und mitleiderregend. Mein Beileid für Sie, Mr von Brandt. Guten Tag.«
»Danke, Detective Inspector«, antwortete Max. »Guten Tag.«
Gerade als er die Tür schließen wollte, drehte sich Barrett noch einmal um und fragte: »Mr von Brandt?«
»Ja?«
»Noch ein Ratschlag … wenn ich ihn mir erlauben darf.«
»Natürlich.«
»Seien Sie nicht so streng mit sich. Wenn Herzen zu brechen ein Kriminaldelikt wäre, wären alle Gefängnisse in London überfüllt.«
Max
Weitere Kostenlose Bücher