Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
wer wusste schon, wie viele Elfenvölker noch tief im Wald hausten?
Tausend Fragen brannten ihr auf der Zunge, doch sie kam nicht mehr dazu, sie zu stellen, da sie das runde Gebäude erreicht hatten. Der Eingang, eine meterhohe Tür, stand einen Spaltbreit offen. Seran stieß sie ganz auf und wies sie mit einer einladenden Handbewegung an, einzutreten.
»Herzlich Willkommen im Rondarium. Achtet auf die Worte, die ihr hier sprecht. Es haben schon viele diese Halle nicht mehr lebend verlassen.«
Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend schritt Serrashil in den matt beleuchteten Flur, der um einen kreisrunden Kern herumzuführen schien. Carath trat neben sie und die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Nicht mehr lebend verlassen? Was wollten diese Großmeister von ihnen?
»Und wohin …« Die Worte blieben ihr im Halse stecken, als sie sich fragend zu Seran umwandte, ihn aber nicht sah. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Was war das nun schon wieder für ein Spiel von ihm?
»Großmeister Seran?« Sie trat an die Tür und wollte sie öffnen, doch sie bewegte sich keinen Millimeter. Mit zitternden Fingern rüttelte Serrashil an der Türklinke, ohne Erfolg. Carath neben ihr hatte die Ohren angelegt und blickte ruckartig von einem der beiden Wege zum anderen.
»Eingeschlossen«, fauchte er und Serrashil glaubte zu hören, dass seine Stimme dabei zitterte.
»Keine Sorge, das ist bestimmt nur einer seiner dämlichen Scherze«, versuchte Serrashil, sie beide zu beruhigen. Sie atmete tief durch. Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder nahmen sie den Weg zu ihrer Linken oder zu ihrer Rechten. Doch da das Gebäude von außen rund ausgesehen hatte und sich die beiden Flure dementsprechend wölbten, würden sie früher oder später zusammenlaufen.
Carath tastete sich an der Wand entlang nach rechts. Er zitterte und seine Augen huschten unruhig hin und her. In dem geschlossenen Raum schien es ihm überhaupt nicht zu behagen. Serrashil folgte ihm mit wild klopfendem Herzen. Seran konnte etwas erleben, wenn sie ihn das nächste Mal sah! Bestimmt hatte er sich unsichtbar gezaubert und ergötzte sich an ihrer Angst.
Sie gingen weiter und weiter, doch an dem Gang änderte sich nichts. Er führte immerzu im Kreis, mit nicht mehr als nackten Steinwänden und in regelmäßigen Abständen eingelassenen Kugeln, die ein wenig Licht spendeten. Es gab keine Fenster und keine Türen. Und obwohl sie schon eine geraume Weile lang im Kreis wanderten, kamen sie nicht wieder an der Eingangstür vorbei.
Irgendwann wurde es Serrashil zuviel. »Seran!« Ihre Stimme hallte in dem schier unendlich langen Flur wider. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Warum ließ man so einen verrückten Utera auf die Studenten los? Sollte er doch zurück in den Wald gehen und dort mit seinesgleichen Verstecken spielen!
Carath, der ihr ein paar Schritte voraus war, murmelte etwas und fuhr mit der Hand großflächig über die Wand.
»Was ist? Was hast du?«, fragte sie ihn mit einer Mischung aus Hoffnung und Furcht. Wer wusste schon, was dieser Gang alles beherbergte? In einem magiebehafteten Gebäude, fast so alt wie die Zeit selbst, konnte man nie wissen, auf was man stieß.
»Es ist anders.« Carath machte eine ausladende Handbewegung.
Serrashil runzelte die Stirn. »Soweit war ich auch schon. Was ist anders? Und was machst du da?«
In diesem Augenblick erklang ein Rumpeln, das den Boden unter ihren Füßen zum Beben brachte und Serrashil erschrocken aufschreien ließ. Sie stolperte gegen die Wand, die ebenso wackelte. Staub rieselte von der Decke. Sie schlang die Arme schützend um ihren Kopf und schloss die Augen. Um sie herum stürzte das Rondarium zusammen.
Kapitel 6
Arme schlangen sich um Serrashil und ein leises Flüstern drang an ihre Ohren. Der Staub, der auf ihren Körper rieselte, verebbte. Langsam wagte sie es, wieder aufzusehen. Carath hatte sich an sie gepresst und einen Arm ausgestreckt. Eine seltsame Membran trat wie eine zähe Flüssigkeit von seinen Fingern aus und bildete einen trüben Schild um sie herum. Der Boden hörte auf zu beben und außerhalb ihres Schildes lichtete sich die Staubwolke.
Carath sackte gegen die Wand und ließ seinen Arm fallen. Augenblicklich verschwand die Membran um sie herum.
»Alles in Ordnung?«, fragte Serrashil besorgt, als sie bemerkte, dass er seine Augen geschlossen hatte. Der Galdana nickte.
»Anstrengend.« Er öffnete seine Augen wieder und blinzelte. »Schau!« Mit der Hand deutete er auf
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