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Die wir am meisten lieben - Roman

Die wir am meisten lieben - Roman

Titel: Die wir am meisten lieben - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kletterte ins Bett.
    »Du bist heute Abend so schweigsam«, sagte sie. »Ist irgendwas?«
    »Ich bin nur müde.«
    Sie lächelte und strich ihm übers Haar.
    »Sieh dich an! Du bist ganz blond geworden.«
    »Wie lange werden wir noch bleiben?«
    »Zwei Wochen. Dann sind die Innenaufnahmen im Studio dran. Warum? Gefällt es dir hier nicht?«
    |269| Tommy nickte.
    »Ich will jetzt schlafen.«
    Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange.
    Diane war kaum die Treppen hinuntergegangen, als Ray nach Hause kam und ihr zurief, er gehe duschen. Er spähte in Tommys Zimmer, aber Tommy stellte sich schlafend. Später hörte er die beiden lachen, und noch später hörte er sie im Schlafzimmer, hörte das Bett gegen die Wand pochen, hörte Diane aufschreien und Ray sagen, sie solle leiser sein. Genau dasselbe hatte er zu Leanne gesagt. Tommy hielt sich die Ohren zu. Als es im Haus endlich still war, lag er noch lange wach, starrte an die Zimmerdecke, hasste Ray und kam sich wie ein Narr vor, weil er ihn gemocht hatte.
     
    Ray hatte begriffen, dass Macht etwas Sonderbares war. Diejenigen, die sie am offensten zeigten, besaßen sie gar nicht immer. Diese großkotzigen Produzenten und Regisseure wollten einen glauben machen, dass man ihnen etwas schuldig war, dass man auf die Knie vor ihnen fallen und ihre verdammten Stiefel küssen sollte, weil sie einen angeheuert hatten und jeden Moment feuern konnten. Aber das war alles Unsinn, denn sie wussten ganz genau, wenn sie einen feuerten, gaben sie den fettarschigen Anzugträgern in den Studios gegenüber nur zu, dass sie Mist gebaut hatten. Danach bekamen die Aasgeier der Branche Wind davon (nichts in Hollywood roch so penetrant wie Versagen) und schrieben darüber, und – siehe da – der Film war gestorben und verschwand im Orkus, bevor auch nur irgendjemand ihn gesehen hatte.
    Wenn man ihnen die Stirn bot, hatten die Schweinehunde gar keine Macht. Gott sei Dank hatte Ray dieses Prinzip noch rechtzeitig erkannt. In den ersten zwei Wochen hatte er zugelassen, dass der kleine Idiot Redfield ihn mit Füßen trat, ihn vor allen erniedrigte. Ray hatte am Tisch gesessen, Redfield und |270| Herb Kanter gegenüber, und musste mitanhören, wie sie ihn auseinandernahmen und ihm zu verstehen gaben, er könne ums Verrecken nicht schauspielern und hätte beim Fernsehen bleiben sollen. Natürlich hatten sie es anders ausgedrückt, mit dem üblichen Schwachsinn umschrieben über die
Motivation
des Charakters, die
Absicht
des Autors und den
Subtext
. Scheiß drauf! Scheiß auf sie alle! Der Subtext lautete, dass sie ihn, verdammt noch mal, nicht rausschmeißen konnten.
    Sobald er ihnen Paroli bot, wussten sie nicht, wie sie damit umgehen sollten. Wenn Redfield um eine Wiederholung bat, obgleich Ray der Meinung war, der letzte Take sei gut gewesen, ließ er sich nichts anmerken, ignorierte die Anweisungen und machte es noch einmal genauso wie zuvor, bis der Wichser aufgab. Bald machte sich der Typ gar nicht mehr die Mühe. Ja, sicher, Ray hörte ihn seufzen, sah die resignierten Blicke, aber was sollte es?
    Er sah sich die Aufnahmen, die im Kasten waren, gar nicht mehr an, er hatte genug gesehen, um zu wissen, dass das, was er tat, für die Leinwand gut genug war. Die Kampfszene mit John Grayling war phantastisch. Beim letzten Take hatte er nicht nur so getan, als ob; der ehrlich schockierte Blick der kleinen Schwuchtel war unbezahlbar. Sein Kinn war immer noch blau. Und die Liebesszene im Heu mit Diane hatte fast die Scheune in Brand gesetzt. Er brauchte keine Vorträge über
Motivation
.
    Wie es um sie im wirklichen Leben stand, war eine andere Sache. Nie hätte er gedacht, dass Diane frigide werden könnte. Über ein Jahr konnten sie nicht voneinander lassen. Sie hatte es so oft gewollt wie er. Und sie hatte es auf eine Art und Weise gewollt, die für Frauen nicht normal war.
    Sie hätten niemals heiraten sollen. Es war so verdammt vorhersehbar gewesen. In den Hafen der Ehe einlaufen, und schon ging es mit dem Sex den Bach runter. Klar, sie trieben es ab und an noch miteinander – wenn Diane nicht zu müde war. Doch |271| selbst dann war es nicht mehr das, was es einmal gewesen war. Gott sei Dank für das geile kleine Fohlen Leanne! Ein stilles Wasser, fürwahr. Nur achtzehn Jahre alt und kannte mehr Tricks als eine Hure aus Las Vegas.
    Allerdings mussten sie vorsichtig sein. Mehr als einmal waren sie um ein Haar erwischt worden. Diane hatte sie zweimal im Haus gesehen, er hatte gedacht, sie habe noch

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