Die Witwe
Mädchen erst einmal Kleider an. Ich muß der neuen
Beat-Generation davon Mitteilung machen.«
Der Summer quarrte erneut
ungeduldig.
»Geh hin«, sagte Candy und
rannte ins Schlafzimmer.
Ich ging durch das Zimmer zur
Wohnungstür und öffnete sie. Der harte Lauf einer Achtunddreißiger bohrte sich
in meine Magengegend und ich wich automatisch zurück. Die Pistole folgte mir
und der Bursche, der sie in der Hand hielt, schloß leise die Tür hinter sich.
»Charlie«, sagte ich
vorwurfsvoll, »Sie verderben mir meine ganzen Chancen. Hier bin ich nun bei
einem bildschönen Frauenzimmer, und Sie müssen hereinplatzen. Wissen Sie nicht,
daß in einem solchen Fall von dreien einer überflüssig ist.«
»Ich sehe schon, ich habe noch
zu sanft zugeschlagen«, sagte er milde.
Seine Augen waren wachsam, und
die Pistole lag ruhig in seiner Hand. Er hielt sie so, als sei er an dem Umgang
mit Schußwaffen gewöhnt. Das bedeutete immerhin eine Chance für mich; er würde
mich nicht rein zufällig erschießen. Wenn er mich umbrachte, so tat er es in
voller Absicht.
»Setzen Sie sich auf die Couch,
Polyp«, sagte er, »langsam und ohne Zicken. Ja? Sie wollen doch nicht, daß ich
nervös werde, oder?«
»Ich glaube nicht«, pflichtete
ich bei.
Ich ging rückwärts zur Couch
und ließ mich, das Gesicht ihm zugewandt, darauf nieder. »Was wollen Sie,
Charlie?«
»Wo ist das Mädchen?« fragte
er.
Wie auf ein Stichwort hin kam
Candy ins Zimmer. Sie hatte etwas angezogen, das man, glaube ich, Peignoir nennt, was erregend klingt, ohne es zu sein, und
die Besitzerin von Kopf bis zu Fuß verhüllt.
Sie blickte auf Charlie und
dann auf die Pistole in seiner Hand. Ihre Augen wurden groß. »Wer sind Sie?«
flüsterte sie.
»Sie kennen mich nicht«, sagte
er. »Aber ich kenne Sie. Sie sind Candy Logan. Kommen Sie her und setzen Sie
sich neben den Polypen. Machen Sie keinen Quatsch, sonst besorge ich es Ihnen.«
»Nur nicht nervös«, sagte ich
zu Candy. »Er meint damit lediglich eine blaue Bohne.«
»Ein Tod, der schlimmer als das
Schicksal ist, nicht?« fragte sie, während sie sich neben mich setzte. Ihre
Stimme klang in der Tat nervös. Ich konnte es ihr nicht verdenken. Ich wußte
genau, was sie empfand.
Dann blickte ich Charlie
erwartungsvoll an. »Was möchten Sie jetzt gern tun?« fragte ich. »Würfel
spielen?«
»Ich war ein Trottel«, sagte
er. »Ich habe meine Selbstbeherrschung verloren und Sie niedergeschlagen. Das
hätte ich nicht tun sollen.«
Ich berührte sachte meinen
Hinterkopf. »Da bin ich völlig Ihrer Ansicht, Charlie.«
»Aber ich habe es doch getan«,
sagte er. »Ich dachte, es würde nicht lange dauern, bevor man nach mir suchte.
Ich nahm Bennetts Wagen und wußte, daß es nicht lange dauern würde, bis auch
das herauskäme. Ich hatte also keine große Chance, aus Pine City zu fliehen, ohne erwischt zu werden.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn
ich rauche?« fragte ich ihn.
»Nein — aber machen Sie keine
Fisimatenten.«
Ich nahm ein Päckchen
Zigaretten heraus, nahm zwei davon, zündete sie an und gab eine Candy.
»Und so begann ich zu überlegen«,
fuhr Charlie fort, »wo ließe sich ein Ort finden, an dem mich dieser Lieutenant
und die übrigen Polypen nicht suchen würden? Und dann fiel mir eine Antwort ein
— nämlich in irgend jemandens Wohnung hier in der
Stadt, in einem erstklassigen Appartement wie diesem hier.«
»Aber warum ausgerechnet mein
Appartement?« fragte Candy mit dünner Stimme.
»Weil er davon wußte«, sagte
ich. »Er wußte auch sonst alles über dich. Er wußte, daß du ihn hierlassen und
den Mund halten würdest.«
»Bist du verrückt?« fragte sie.
»Klar«, sagte Charlie. »Und ob
der Lieutenant verrückt ist — wie ein Fuchs.«
»Ich begreife nach wie vor
nichts«, sagte Candy.
»Harry Weisman hatte einen
Partner«, sagte ich. »Du siehst ihn im Augenblick vor dir.«
Alle Farbe wich aus Candys
Gesicht, während sie Charlie anstarrte.
Charlie grinste sie unangenehm
an. »Der Polyp ist gerissen, Puppe. Wenn ich daran denke, was ich über Sie
weiß, brauche ich mir keine Sorge darum zu machen, daß Sie den Mund halten.«
»Erzählen Sie mir davon,
Charlie«, sagte ich. »Es muß damals mit Bennett angefangen haben, nehme ich an.
Was ist dort draußen in der Wüste passiert? Bennett hat mir erzählt, Sie hätten
ihm das Leben gerettet. Waren Sie damals nicht ganz bei Trost, oder was war
sonst los?«
»Das hat er Ihnen erzählt, ja?«
sagte Charlie höhnisch.
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