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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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aus – hat sie uns etwa jemanden verschwiegen?
    »Was glaubst denn du?«, fragt Georgia schnippisch, als wollte sie auf keinen Fall wiederholen, dass sie mit Fred intim war.
    »Vielleicht ist es eine unbefleckte Empfängnis«, kichert Prissy. »Die Jungfrau erscheint hier zur Zeit ja ziemlich oft.«
    Georgia sieht Prissy verwirrt an und wirft mir einen fragenden Blick zu, aber ich kann ihr nicht helfen. Offensichtlich regt sich Prissy über Howie, ihre Mutter oder beide auf, und ich weiß nicht, worum es dabei geht. Ich zucke Richtung Georgia mit den Schultern und sehe Howie an, der ja wissen wird, was seine Frau so aus der Fassung bringt. Er schüttelt den Kopf, um uns zu bedeuten, das Thema besser nicht anzusprechen.
    »Hast du es Fred gesagt?«, frage ich.
    Georgia nickt. »Er braucht noch eine Weile, um sich an den Gedanken zu gewöhnen. Ich glaube, ich habe ihm Angst eingejagt.«
    Als ich Ches von meiner Schwangerschaft erzählt habe, war es genauso. Den entsetzten Ausdruck in seinen Augen werde ich nie vergessen, aber auch nicht die Zärtlichkeit, als er Marianne zum ersten Mal in seinen Armen hielt.
    »Das wird schon«, versichere ich Georgia.
    Ich habe mich selbst übertroffen. Es gibt Truthahn, Pökelfleisch, Kartoffeln, Möhren, Erbsenpüree, Sauce, Mais, Rote Bete und Senfpickles. Alle bewundern die Tafel und loben, wie köstlich es riecht. Nachdem wir alle Schüsseln herumgereicht haben, will Clara einen Toast ausbringen. Ich hätte bei all dem Trubel beinahe meine eigenen Erfolgsnachrichten vergessen und warte unruhig darauf, dass Clara endlich spricht.
    »Das ist mein letztes Weihnachten«, beginnt sie und hebt ihr Glas. Ihre Hand zittert, Wein tropft auf die Tischdecke, aber alle tun so, als würden sie es nicht bemerken. »Heute Nacht ist mir die Jungfrau erschienen und hat gesagt, dass meine Zeit gekommen ist. Also, auf das Ende eines langen und glücklichen Lebens.« Clara trinkt einen Schluck Wein.
    Prissy plötzlich nicht mehr. »Ich trinke nicht auf deinen Tod.«
    »Doch nicht auf meinen Tod, auf mein Leben!«, protestiert Clara.
    »Wieso bist du so verdammt sicher, dass du sterben wirst? Nur, weil du von der Scheißjungfrau geträumt hast?« Prissy steht abrupt auf und geht ins Wohnzimmer. Niemand weiß so recht, was tun. Soll ich ihr folgen und nach ihr sehen, oder soll ich sie in Ruhe lassen und weiteressen? Während ich überlege, stochere ich in meinen Kartoffeln herum und fahre mit ihnen durch die Sauce, an Fleisch und Erbsen vorbei. Den anderen geht es wohl ähnlich, alle schauen auf ihre Teller, niemand bringt einen Bissen über die Lippen.
    Nach einer Ewigkeit, die in Wirklichkeit wohl kaum länger als eine Minute gedauert hat, erscheint Prissy wieder. Sie hält meine Krippe im Arm und hat große Mühe, alle Keramikfiguren sicher im Stall zu bewahren. Ich habe ein flaues Gefühl in der Magengegend. Prissy nimmt die Figur der Jungfrau und wirft sie auf den Tisch. Sie landet vor Claras Teller. Alle schauen entsetzt auf die kniende Maria mit ihren gefalteten Händen und ihrem ernsten Gesichtsausdruck.
    »Da!«, sagt Prissy. »Da hast du deine Scheißjungfrau. Und das Jesuskind gibt’s gleich noch dazu! Da hast du’s!« Und schon wirft sie die nächste Figur, einen winzigen Christus in blauen Decken. Er landet mit dem Gesicht auf der Füllung. Dann poltern Josef, die Heiligen Drei Könige, ein Kamel und ein Lamm über den Tisch. Prissy wirkt wie irre, in ihren Haaren hat sich Stroh aus der Krippe verfangen, und Clara blickt gen Himmel und bittet die Jungfrau um Vergebung für ihre Tochter. Sie wisse nicht, was sie tut.
    »Halt den Mund, Mom!«, brüllt Prissy. »Halt den Mund! Ich weiß genau, was ich tue.«
    »Das reicht, Prissy«, sagt Howie scharf. »Hör bitte auf, dich zum Narren zu machen.«
    » Du machst mich doch zum Narren!«, kreischt sie zurück. »Lass mich einfach in Ruhe«, sagt sie etwas ruhiger. »Tu uns allen den Gefallen und lass mich verdammt noch mal in Ruhe.«
    Howie fährt zusammen, er wirkt bleich und verlegen. »Diese Diskussion führen wir später.« Er schluckt heftig und wirft Prissy flehentliche Blicke zu. »Es tut mir leid, Lottie. Danke für deine Gastfreundschaft, aber ich glaube, wir sollten gehen.«
    Doch Clara besteht darauf, zu Ende zu essen, weil dies ihr allerletztes Mahl sei. Nachdem sie mit dem Dessert fertig ist, im Badezimmer war und Howie sie ins Auto verfrachtet hat, ist Prissy auf dem Sofa eingeschlafen. Sie protestiert nicht, als Howie sie

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