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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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sanft schüttelt, ihr den Pullover um die Schultern legt und sie ohne Mühe von der Couch hebt. Mir steht ein flüchtiges Bild vor Augen, wie Ches Marianne ins Bett trägt.
    Später, während wir in der Küche aufräumen, fragt mich Georgia, ob ich Ches eine Affäre vergeben hätte. Ich muss lächeln, schließlich glaubte ich doch, Ches wäre an dem Tag, an dem er sich das Leben genommen hat, zu seiner Geliebten gefahren.
    »Hättest du ?«, frage ich Georgia, denn Josephs Untreue hätte sie sicher tief getroffen.
    Georgia stapelt die Teller übereinander und stellt die angeschlagenen sorgfältig nach unten. »Ich war furchtbar eifersüchtig«, gibt sie zu. »Joseph war früher einmal mit einem Mädchen zusammen, das im Supermarkt gearbeitet hat, und jedes Mal, wenn ich keinen Zucker mehr hatte, musste ich ihren Anblick ertragen. Ich habe mir die beiden immer zusammen vorgestellt, und das hat mich so wahnsinnig gemacht, es war zum Haareraufen.«
    Ich persönlich halte Eifersucht für etwas Gutes. Es heißt zwar, wenn man sich in einer Beziehung sicher und aufgehoben fühlen würde, gäbe es keinen Grund zur Eifersucht, und auch bei Hochzeiten kommt immer der Spruch, Liebe bedeute, niemals eifersüchtig oder wütend zu sein. Ich glaube das nicht, denn ich war lange nicht mehr wütend oder eifersüchtig auf Ches. Meistens habe ich gar nichts gefühlt. Nur anfangs, als ich noch am meisten für ihn empfunden habe, war ich auch wütend, wenn er lange wegblieb oder die anderen Mädchen, die ihren Freunden oder Brüdern beim Hockeyspielen zugesehen haben, zu lange gemustert hat. Einmal hat er die Aushilfe bei Dee’s Süße genannt, als wäre ich gar nicht da, und sie hat ihm zugezwinkert – da war ich außer mir vor Wut. Aber in den letzten Jahren unserer Ehe gab es keine Eifersucht mehr, keine Wut und auch keine verletzten Gefühle. Wenn man die Eifersucht hinter sich hat und der andere einen nicht mehr wütend machen kann, dann ist eine Beziehung am Tiefpunkt.
    »Und, hättest du?«, frage ich Georgia noch einmal.
    »Ich hätte niemals gedacht, dass ich darauf Ja sagen würde, aber ich glaube schon«, gibt Georgia zu und fährt mit dem Finger über den Rand ihrer Teetasse. »Ich weiß, dass Howie Prissy betrogen hat, aber die beiden haben noch das ganze Leben vor sich, um wieder zueinanderzufinden, und das ist weit mehr, als andere haben.«

Kapitel 38
    Prissy
    Ich werde kurz nach Mitternacht wach, mit hämmernden Kopfschmerzen und einem so trockenen Mund, dass meine Zunge am Gaumen klebt. Ich setze mich auf und halte den Kopf in Händen. Mir kommt mein entsetzliches Benehmen bei Lotties Weihnachtsessen in den Sinn. Auf dem Nachttisch warten ein Glas Wasser und zwei Aspirin. Ich schlucke sie gierig. Wieder eine von Howies Gefälligkeiten, die mich so sehr gegen ihn aufbringen. Vor meinem geistigen Auge flackern Szenen meines weihnachtlichen Wahnsinns auf. Ich durchlebe noch einmal, wie ich meine Mutter anschreie und ihr fromme Gegenstände hinwerfe. Wie ich über Georgias wundersame Verkündigung lache. Es gibt niemanden, bei dem ich mich nicht entschuldigen muss. Schamesröte steigt mir ins Gesicht.
    Ich versuche, wieder einzuschlafen, aber nach einer Dreiviertelstunde rastlosen Herumwälzens gebe ich auf. Wie es meiner Mutter wohl geht? Was, wenn sie wirklich sterben muss? Ich stelle sie mir vor, hoffnungslos alleine, tot in ihrem Bett liegend. Das Bild lässt sich nicht mehr abschütteln. Ich schleiche die Treppe hinunter, um nach ihr zu sehen.
    Das regelmäßige Heben und Senken ihrer Brust beruhigt mich, aber nicht sehr. Nüchtern betrachtet muss ich mir eingestehen, dass sie wirklich alt, schwach, eingefallen und dem Tod nahe ist. Seit ich vor einem halben Jahr nach Paradise Bay gekommen bin, konnte ich zusehen, wie ihr Haar noch dünner, ihr Gesicht noch faltiger und ihre Statur noch zierlicher wurde. Es ist kaum vorstellbar, dass Charlie und ich einmal vor dieser Frau eine Heidenangst hatten. Meine Mutter war eine imposante Erscheinung, wenn sie uns mit einem Schuh in der einen, der Zeitung in der anderen Hand die Treppe hinaufjagte und auf unsere Kehrseiten eindrosch, die wir mit den Händen zu schützen versuchten.
    Ich klettere zu Mom ins Bett, nehme ihre Hand und male mit meinen Fingern Kreise auf ihre Knöchel. Sie riecht nach Lavendel, was gar nicht sein kann, denn sie stäubt sich schon seit Jahren nicht mehr mit Yardley-Puder ein. Ich kämme eine Strähne weißen Haars, und unter meiner Berührung wird

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