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Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Die Witwen von Paradise Bay - Roman

Titel: Die Witwen von Paradise Bay - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Morgens nicht zum Frühstück nach unten komme, bin ich wohl im Schlaf gestorben, so Gott will.« Mom blickt himmelwärts. »Und falls du an dem Tag nichts Besseres vorhast, kannst du ja vielleicht das Beerdigungsinstitut anrufen und dich um die Sache kümmern.«
    Ich sollte das mit Fassung tragen, sie ein wenig aufmuntern, aber ich bin es so leid, das immer gleiche Gespräch über ihren Tod zu führen.
    Mom setzt sich zu mir, Charlie und Quentin an den Tisch. Sie wirkt ernst. »Ich glaube nicht, dass es zu früh ist, über die Zukunft zu sprechen. Ich will kein Aufhebens. Beerdigungen kosten heutzutage ein Vermögen. Ihr solltet das Geld besser für euch ausgeben statt für einen teuren Sarg, in dem ich nur verrotte. Ich würde euch ja bitten, mich in zwei Säcke zu packen und am Mülltag an den Straßenrand zu legen, aber ich habe mich auf der Deponie erkundigt, und das ist wohl nicht erlaubt. Hier kommst du ins Spiel, Charlie.«
    Ich bin darauf gefasst, dass meine Mutter meinen Bruder bittet, ihren Leichnam im Schutz der Nacht auf der Deponie zu entsorgen, doch sie will etwas ganz anderes.
    »Charlie«, sagt Mom, »ich möchte, dass du mir einen Sarg machst.« Ich verschlucke mich an meinem Tee und warte auf Charlies vehementen Protest, aber zu meinem Erstaunen nickt er wie ein gehorsames Kind. »Draußen liegt noch Holz. Euer Vater wollte damit vor seinem Tod ein Boot bauen, es ist also gutes Holz. Das nimmst du, einverstanden? Du warst immer so ein geschickter Handwerker.«
    Charlie lächelt geschmeichelt. »Ich schreiner dir den besten Scheißsarg von ganz Paradise Bay.«
    Ich sehe erst zu meinem Bruder, dann zu meiner Mutter, bevor ich einen Blick auf meinen Sohn wage. Quentin sieht verstört aus, was ich ihm nicht verübeln kann. Diese Seite hat er an seiner Familie noch nicht erlebt, und selbst in meinen Ohren klingt die Unterhaltung absonderlich.
    »Mom, so etwas Groteskes habe ich noch nie gehört, nicht einmal aus deinem Mund«, sage ich und stehe auf. »Du stirbst doch nicht, noch lange nicht.«
    »Sieh den Tatsachen ins Auge, Prissy. Du warst lange weg, und ich bin nicht mehr wie früher.«
    Das jedenfalls stimmt. Meine Mutter ist eindeutig älter, weißhaariger und faltiger geworden, und besonders wenn sie sich unbeobachtet glaubt, wirkt sie regelrecht gebrechlich.
    Mom zündet sich eine Zigarette an, inhaliert tief und wendet sich dann mir zu. »Charlie steht gut da. Er hat ’nen vernünftigen Job und ein Haus. Aber um dich sorg ich mich, Prissy.«
    Mein Magen macht einen Satz, als stünde ich in einem Aufzug, der zu plötzlich und zu schnell nach unten rast. Charlie war immer das Sorgenkind der Familie. Charlie war immer schlecht in der Schule, hat mit den falschen Freunden herumgehangen und wurde sogar aus seinem Ferienjob bei Dee’s Fischbude gefeuert, weil seine Freunde dort rumlungerten und Gäste verschreckten. Ich dagegen war immer die Reife, die niemals Ärger machte, einen anständigen Mann geheiratet hat, das Haus in Schuss gehalten und ein Kind großgezogen hat. Bei der Vorstellung, dass ich es bin, um die sich meine Mutter in ihrem hohen Alter Sorgen machen muss, dreht sich mir der Kopf.
    »Du und Quentin, ihr könnt natürlich so lange bleiben, wie ihr wollt. Aber wenn ich sterbe, sollst du das Haus bekommen.« Die Miene meiner Mutter wird weich, es ist ihr sehr ernst. Ich bin seltsam berührt von ihrer Geste und male mir schon ein Leben als alleinerziehende Mutter aus, die ihren Sohn durch die Höhen und Tiefen des Kleinstadtlebens führt.
    »Vergiss es«, meldet sich Quentin plötzlich. Er hat noch kein einziges Wort gesagt, außer Charlie als Pimmel zu beschimpfen, weil mein Bruder meinen Sohn zu Beginn des Essens wegen seiner gefärbten Haare hochgenommen hatte. Er steht abrupt auf und macht Anstalten, das Zimmer zu verlassen.
    »Wo willst du hin?«, frage ich. Für ein weiteres renitentes Familienmitglied reicht meine Geduld nicht aus.
    »Nirgendwohin«, nuschelt er und fügt leise hinzu: »Leider.«
    Mich packt die Wut, doch sie richtet sich gegen den Falschen. Das alles ist nicht Quentins Schuld, meine allerdings auch nicht. Howie ist dafür verantwortlich, aber das kann ich vor Quentin nicht äußern. Mein Kopf ächzt unter den Ereignissen der letzten Woche, unter dem Schmerz über Howies Untreue, dem Gefühl der Erniedrigung und dem schlechten Gewissen wegen meiner Rolle als falsche Witwe, besonders gegenüber einer Freundin, die wirklich Witwe wurde. Und jetzt steht auch noch

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