Die Witwen von Paradise Bay - Roman
zusammen und greife mir an den Magen, weil ich mich jeden Moment auf den Fahrersitz zu erbrechen drohe, und das im alten Chrysler meines Vaters. Dieses Desaster habe ich verursacht, und ich gestehe bereitwillig. »Ich hab ihn angerufen.«
»Du hast ihn zur Gedenkfeier eingeladen?« Meine Mutter schaut mich entgeistert an.
»Natürlich nicht. Als Quentin neulich abgehauen ist, dachte ich, er wäre vielleicht auf dem Weg nach Hause, und darum hab ich Howie angerufen. Da hat er wohl Angst gekriegt.«
Howie lehnt an der Tür seines Mietwagens, als würde sie ihn aufrechthalten. Er lehnt sich ständig irgendwo an – an Türrahmen, Anrichten oder Geländer – und markiert wie selbstverständlich den großen Macker. Er wartet darauf, dass wir aussteigen und ihn endlich begrüßen, aber wir rühren uns nicht, und Howie wird bestimmt langsam misstrauisch.
»Mir nach«, sagt meine Mutter, und bevor ich etwas erwidern kann, steigt sie aus und eilt auf Howie zu.
»Howard, welch eine Überraschung. Komm rein«, sagt sie und legt eine Hand auf seinen Arm. »Bei der Kälte friert einem ja der Arsch ab.« Es ist tatsächlich ein wenig kühl, doch meine Mutter will nur sicherstellen, dass niemand Howie sieht. Als sie ihn ins Haus drängt, merkt man von ihrer schlimmen Hüfte nichts. Ich folge langsam und danke Gott, dass wir keine Trauergäste erwarten.
»Clara«, sagt Howie freundlich in der Küche. »Es ist schön, dich zu sehen.« Warum spielt er bloß so ein Theater? Wir wissen doch, dass er sich unter diesen Umständen nicht freut. Die Situation ist für alle Beteiligten sogar ausgesprochen unangenehm. Da Howie mich noch nicht begrüßt hat, hat Gott vielleicht auf wundersame Weise mein Flehen erhört und mich verschwinden lassen, oder mein Mann redet einfach nicht mehr mit mir. Endlich spüre ich seinen Blick auf mir. Als Howie meine förmliche schwarze Kleidung und die geschwollenen Augen registriert, schaut er sehr verwirrt aus.
»Ist es gerade ungünstig?«
»Wenn du so fragst, ja«, erwidert meine Mutter. »Wir kommen von einer Beerdigung.«
»Das tut mir leid«, sagt Howie. »Wer ist denn gestorben? Jemand, den ich kannte?«
»Niemand von Bedeutung«, sagt sie mit lässigem Schulterzucken. »Und, hast du deine Freundin mitgebracht?«
Das kommt so überraschend und ist mir so peinlich, dass ich meine Mutter für ihre Frechheit nicht einmal zu tadeln weiß.
Howie seufzt, ignoriert den Vorwurf aber, sodass ich mich frage, ob nicht wirklich eine Frau in St. John’s im Hotel auf ihn wartet. Bei dem Gedanken wird mir so schwindelig, dass ich mich an der Arbeitsplatte festhalten muss.
»Ich wollte nur meinen Sohn sehen«, sagt Howie und wendet sich an mich. »Wo ist Quentin? Alles in Ordnung mit ihm?«
Charlie hat Quentin heute Morgen abgeholt, denn bei der Gedenkfeier war für mich Schluss, ich habe es nicht zugelassen, dass er dorthin mitkommt. »Alles bestens«, antworte ich, als ich endlich die Sprache wiederfinde. »Er ist mit Charlie unterwegs, aber er müsste bald zurück sein. Bitte …« Ich weise auf einen Stuhl. »Du kannst hier warten. Ich mach uns Kaffee.«
»Vielleicht gehe ich besser zu Lawlor’s und warte da.« Howie sieht auf die Uhr. »Ich komm in einer Stunde wieder.«
»Du wirst nichts dergleichen tun«, insistiert meine Mutter. Ihre verdrießliche Miene verrät, dass sie es keinesfalls gutheißt, Howie bei sich zu bewirten, aber sonst würde er vielleicht bei Lawlor’s über einer Portion Fish and Chips erkannt. »Die beiden kommen jeden Augenblick zurück.«
Nach einem kurzen Moment der Unentschiedenheit gibt Howie dankbar nach und setzt sich an den Küchentisch.
»Aber gib ihm keins von den Rosinentörtchen, Prissy. Die mag ich am liebsten, und viele sind nicht mehr da.« Mit dieser Bemerkung verlässt meine Mutter die Küche. Jetzt nehme ich die Rosinentörtchen natürlich erst recht aus dem Brotkasten und stelle sie auf den Tisch. Es sind noch so viele übrig, dass am Ende der Woche ein Viertel bestimmt trocken oder verschimmelt ist.
»Du musst ihr das nachsehen«, sage ich und versuche, das Zittern in meiner Stimme zu unterdrücken. »Sie ist wütend auf dich. Das verstehst du sicher, angesichts der unglücklichen Umstände.« Derart gestelzt oder gezwungen habe ich noch nie mit meinem Mann geredet.
Howie nickt verständnisvoll, schenkt mir ein halbes Lächeln und nimmt mir die dampfende Tasse ab. Ich habe den Kaffee nach seinem Geschmack gemacht, sehr stark. Howie trinkt in
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