Die Witzekiste
Totlachen nichts zu tun.
Nein, wir lassen uns gern bestätigen, dass Lachen gesund ist. Damit haben wir eigentlich ein Gesundheitsbuch geschrieben. Richtig ist auch, dass beim Lachen rund 80 unserer 656 Muskeln gebraucht und damit trainiert werden, Muskeln, die wir außer durch das Lachen kaum so ausgiebig bewegen können.
Kann man Lachen lernen? Meyers Konversationslexikon von 1900 nennt Lachen eine »eigentümliche Modifikation der Atembewegungen, bei der die Ausatmung in mehreren schnell hintereinander folgenden Stößen unter mehr oder weniger starkem Schall ausgeführt wird, während die Einatmung meist in einem kontinuierlichen, etwas beschleunigten und tiefen Zuge geschieht.« So komisch ist also Lachen. Aber es geht noch weiter: »Diese Bewegung ist stets mit einer Zusammenziehung der mimischen Gesichtsmuskeln verbunden, die im wesentlichen auf eine Verbreiterung der Mundspalte und Hebung der Mundwinkel hinausläuft.« Selten so gelacht! Das klingt, als sei »lachhaft« eine Strafform, zu der man verurteilt werden kann, und da könnte einem glatt das Lachen vergehen. Der russische Gelehrte Fjodor Abramow beschrieb 1909 das Lachen sogar als eine Art Unglücksfall: »Lachen besteht in der Störung der Atembewegungen, hervorgerufen durch die rhythmische Zusammenziehung des Zwerchfells.« Ein Witz zum Üben:
Der steinreiche alte Junggeselle kommt spät nach Hause. Der Diener, der lange gewartet hat, hilft ihm aus dem Mantel und murmelt: »Na , du stocktaubes Schwein, wieder bei den Weibern gewesen und das Geld verspielt?« Sagt der Alte: »Nein , Johann , in der Stadt gewesen, Hörgerät gekauft!«
Im Mittelalter sah man das Lachen oft als Sünde an. Anfang des 20. Jahrhunderts, so darf man aus den Zitaten schließen, stand das Lachen offenbar immer noch nicht hoch im Kurs. Dabei berief mansich gerade in jener Zeit auf die antiken Vorbilder des Abendlandes. Aus den ehrwürdigen Gemäuern des Altertums schallt das homerische Gelächter zu uns herüber. Der Dichter Homer beschrieb es als »unauslöschliches Gelächter der seligen Götter« und malte damit eine vergnügliche Vorstellung himmlischer Zustände. Kollege Plato tadelte diese »Enthemmung«, mit der die Himmelsbewohner ein schlechtes Vorbild gäben. Man könnte glauben, unsere abendländischen Vorfahren hätten sich geschämt, wenn sie lachen mussten.
Max Frisch fragt in seinen Tagebüchern: »Kennen Sie ein Anzeichen dafür, dass Gott Humor hat?« Das Bejahen unterstellte, dass Gott auch Witze macht. Aber das wollen wir, auch wenn es uns manchmal so vorkommen mag, doch nicht vermuten. Vor allem: Witz und Humor setzen immer menschliche Schwächen voraus. Und die bleiben uns Erdenbürgern vorbehalten.
Aber Humor macht auch stark. Ich behaupte: Wer Humor hat, lässt sich zum Beispiel schwer mobben. Der Angreifer hat keine Chance, taumelt ins Leere und gerät zu einer komischen Figur.
Lachen ist ein demokratischer Vorgang – es belebt selbst den Bundestag. Im streng humorlosen Nationalsozialismus dagegen gab es keine Debatten mehr, sondern nur noch Kundgebungen. Alles war Teil eines großen Schauspiels, eine Theaterform der Rhetorik mit Aufmärschen und Marschmusik, Fahnen, Fanfaren, Pauken und Trommeln. Schon Tacitus schrieb: »Herrscht das Volk, regiert die Rede, herrscht Despotismus, dann regiert der Trommelwirbel.«
Das Gelächter erhielt eine ganz neue Funktion, stellte der Germanist Hans Mayer fest. Während die klassischen Redner mit Heiterkeit und Ironie wirken wollen, zielten Hitler und Goebbels auf das brüllende Gelächter, das vernichtet. Sie wollten ihre Gegner auslachen und entwickelten das Schlagwort als gefährliche Waffe. Der Nachdenkliche, der Intellektuelle, der Argumentierende, der Witzige, sie wurden die eigentlichen Feinde. Sie sollten nichts mehr zu lachen haben.
Immanuel Kant hat notiert: »Es muss in allem, was ein lebhaft erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein.«
Als ich vor kurzem in Gedanken an dieses Manuskript in einen leichten Schlummerschlaf fiel, sah ich bewaffnete Demonstrantengruppen durch meine Traumlandschaft aufeinander zutraben. Siegerieten sich in die Haare oder vielleicht auch nur in die Glatzen. Die Anführer stürmten Parolen brüllend aufeinander zu. Doch dann verhedderten sie sich in ihren rasselnden Fahrradketten, rutschten auf dem wolkigen Untergrund aus oder stolperten mit ihrem Ungestüm und fielen – platsch! – auf den Bauch. Und plötzlich mussten all die grimmigen
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