Die Wölfe von Yellowstone. Die ersten zehn Jahre (German Edition)
umzustellen und zu lernen, mit Beutegreifern zu leben, wird es weiter Konflikte geben und Situationen, die sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht ändern. Manche Gebiete sind so attraktiv für große Beutegreifer, dass man sie nicht davon fernhalten kann. Leider verteilen die Wölfe die Verluste nicht gleichmäßig auf alle Rancher, sodass jeder einen Teil davon abbekommt. Haben sie einmal eine Kuh oder ein Schaf als leichte Beute getötet, kommen sie immer wieder an diesen Ort zurück, bringen auch andere Rudelmitglieder mit und lehren ihre Jungen diese Form des Nahrungserwerbes.
Geschieht dies, dann gibt es keine einfache Lösung. Vielmehr muss das Problem individuell angegangen werden. In den ersten Jahren nach der Wiederansiedlung hat die Regierung solche »Problemwölfe« betäubt, ausgeflogen und in einem anderen Gebiet wieder ausgesetzt. Später, als es zu viele wurden, erhielten Rancher die Genehmigung, Wölfe zu erschießen, wenn sie sie beim Akt des Tötens eines Nutztieres erwischten.
So wurden viele Wolfsfamilien vollständig ausgelöscht, darunter auch – unter dem Aufschrei der weltweiten Wolfsgemeinde – das komplette Whitehawk-Rudel einschließlich seiner durch Film und Fernsehen bekannten weißen und dazu noch trächtigen Leitwölfin.
Seit diese Wölfe im Frühjahr 2001 in das Gebiet der Sawtooth National Recreation Area gekommen waren, einem riesigen Wildnisgebiet umgeben von Ranchland, hatten sie mindestens sieben Kälber, 17 Schafe und einen Wachhund getötet, sowie ein prämiertes Zuchtschaf, das – laut emotionaler Berichte der Klatschpresse – das Lieblingstier der Tochter des Ranchers war. Um das Rudel davon abzuhalten, weitere Nutztiere zu töten, erschossen die Regierungsbeamten nacheinander erst einen Wolf, dann zwei weitere, dann nochmals drei.
Aber der Rest der Wölfe hielt sich immer noch in der Nähe der Rinder auf, die auf einer eingezäunten Weide bei der Ranch standen, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Die Beamten der U.S. Fisch- und Wildbehörde arbeiteten zusammen mit den Wolf-Schutzengeln, dem Rancher und dem Indianerstamm der Nez Perce, der die Leitung über das Wolfsprogramm in Idaho hat. Entlang der Weide wurden RAG-Boxen aufgestellt, kleine Radiosender, die einen Höllenlärm verursachen (Geräusche von Gewehrsalven, brechendes Glas, Autohupen, Hubschrauber, galoppierende Pferde und schreiende Männern), sobald ein Wolf mit einem Radiohalsband in ihren Sendebereich kommt. Da fast alle Wölfe des Whitehawk-Rudels Halsbänder hatten, sollte es für sie unmöglich sein, sich unbemerkt auf die Weide zu schleichen, ohne den Lärm zu aktivieren. Darüber hinaus feuerten die Beamten Dutzende von Warnschüssen und Feuerwerkskörpern ab, direkt in die Felsen, wo sich die Wölfe normalerweise aufhielten. Die Freiwilligen zelteten nachts bei den Rindern und machten ebenfalls jede Menge Lärm. Dennoch kamen die Wölfe weiterhin aus den Hügeln auf die Weide, ergriffen sich das Zuchtschaf der Rancher-Tochter und rissen es nur 100 Meter vom Haus entfernt in Stücke. Damit hatten sie ihr Todesurteil unterschrieben. Am nächsten Tag erschossen Regierungsbeamte die restlichen fünf Wölfe des Whitehawk-Rudels aus dem Hubschrauber.
Die Weeds wollen keine Wölfe auf ihrem Land töten. Und sie machen sogar ein kleines Geschäft mit dieser Gesinnung. Seit einigen Jahren verkaufen sie »Predator Friendly Wool«, also Wolle von Schafen, die auf Land grasen, auf dem keine Wölfe getötet werden. Seit Neuestem gibt es auch »Predator Friendly Meat«. Beide Artikel – Wolle und Fleisch – erhalten ein besonderes Gütezeichen, das dem Verbraucher bestätigt, dass das Fleisch ein organisches Produkt ist und die Wolle nur mit natürlichen Stoffen gefärbt wird.
Mehr und mehr Schaf- und Rinderzüchter machen es den Weeds nach und verkaufen ihre Produkte an natur- und tierschutzbewusste Verbraucher, die so mittelbar den Wölfen helfen können.
Auch wenn viele Rancher neue Methoden ausprobieren, um gemeinsam mit Wölfen auf ihrem Land zu leben, auch wenn Tierschutzorganisationen Entschädigung zahlen – das eigentliche Problem mit Wölfen geht im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten weit über das Thema Geld hinaus. Es ist eine Frage von Macht und Kontrolle. Und solange es immer noch die »Redneck-Rancher« gibt, die ihr eigener, alleiniger Gott in Amerikas Wildem Westen sind, so lange werden die Wölfe nicht in Sicherheit und die Rancher erst zufrieden sein, wenn alle Beutegreifer
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