Die Wohlgesinnten
vorgelegt, aus denen hervorging, dass sie nicht jüdischer Abstammung, sondern erst relativ spät zum Judentum übergetreten sind. Die Spezialisten im Ministerium haben die Echtheit dieser Dokumente bestätigt.« – »Ja, ich habe davon gehört«, sagte Voss mit einem kleinen Lächeln. »Das haben sie schlau angestellt.« Ich hätte ihn gern gefragt, was er damit meinte, aber er hatte das Thema bereits gewechselt. Es war ein strahlender Tag. Noch war es nicht zu heiß, der Himmel blieb blass und klar; von der Höhe der Felsen sah man in der Ferne das Meer, eine etwas graue Fläche unter dem Himmel. Von Südwesten erreichte uns verschwommen das monotone, leise von den Bergen zurückgeworfene Grollen der Artillerie, die Sewastopol beschoss. Kleine Tatarenkinder, schmutzig und zerlumpt, spielten zwischen den Ruinen oder hüteten ihre Ziegen; einige von ihnen betrachteten uns neugierig, nahmenaber Reißaus, als Voss sie in ihrer Sprache herbeirufen wollte.
Wenn ich sonntags nicht zu viel Arbeit hatte, nahm ich einen Opel, und wir fuhren nach Eupatoria an den Strand. Oft saß ich selbst am Steuer. Es wurde von Tag zu Tag heißer, wir befanden uns mitten im Frühjahr, und ich musste auf die Gruppen von Jungen achten, die nackt mit dem Bauch auf dem glühend heißen Asphalt der Straße lagen und beim Nahen eines Autos wie Spatzen auseinanderstoben, ein Gewimmel von mageren sonnengebräunten Leibern. In Eupatoria gab es eine schöne Moschee, die größte auf der Krim, die im 16. Jahrhundert von dem berühmten osmanischen Architekten Sinan entworfen worden war, und einige merkwürdige Ruinen; aber wir bekamen dort keinen Portwein und noch nicht einmal Tee, der diesen Namen verdient hätte; und das Wasser des Sees war eine stehende schlammige Brühe. Daher verließen wir die Stadt und fuhren an den Strand, wo wir manchmal Gruppen von Soldaten trafen, die von Sewastopol kamen, um sich von den Kämpfen zu erholen. Meist nackt, von Gesicht, Hals und Unterarmen abgesehen fast immer vollkommen weiß, alberten sie wie Kinder herum, stürzten ins Wasser, wälzten sich, noch nass, im Sand und saugten seine Wärme auf wie ein Gebet, um die Kälte des Winters auszutreiben. Oft waren die Strände leer. Ich mochte den altmodischen Anblick der sowjetischen Strände: die Sonnenschirme, bunt, aber teilweise ohne Tuch, die Bänke mit Vogeldreck befleckt, die rostenden Metallkabinen mit abblätternder Farbe, die von den hinter den Absperrungen versteckten Gören nur Füße und Köpfe zeigten. Wir hatten unseren bevorzugten Flecken, einen Strand im Süden der Stadt. An dem Tag, an dem wir ihn entdeckten, war ein halbes Dutzend Kühe rund um einen bunt bemalten, auf dem Sand liegenden Fischkutter dabei, das frische, von der Steppe in die Dünen eindringende Gras abzufressen, ohne das blondeKind zu beachten, das sich auf einem selbst gebastelten Fahrrad zwischen ihnen hindurchschlängelte. Auf der anderen Seite einer schmalen Bucht drang eine kleine traurige russische Melodie aus einer blauen Hütte, die auf einer wackligen Anlegebrücke stand, an der, an abgewetzten Seilen vertäut, drei armselige Fischerboote plätscherten. Der Ort träumte in stiller Verwahrlosung vor sich hin. Wir hatten frisches Brot und rote Äpfel vom Vorjahr mitgenommen, dazu tranken wir Wodka; das Wasser war kalt und belebend. Zu unserer Rechten standen zwei alte, mit Vorhängeschlössern gesicherte Erfrischungsstände und der halb zerfallene Turm des Bademeisters. Die Stunden verstrichen, ohne dass wir viel redeten. Voss las; ich trank langsam den Wodka aus und tauchte immer wieder ins Wasser ein; eine der Kühe begann ohne erkennbaren Grund am Strand entlangzugaloppieren. Auf dem Rückweg zu unserem Wagen, den wir weiter oben geparkt hatten, kamen wir in einem kleinen Fischerdorf an einer Schar Enten vorbei, die sich nacheinander unter einem Holztor hindurchzwängten, die letzte hatte einen grünen Apfel im Schnabel und lief, um ihre Schwestern einzuholen.
Auch Ohlendorf sah ich häufig. Im Dienst hatte ich vor allem mit Seibert zu tun; doch am Spätnachmittag ging ich, wenn Ohlendorf nicht zu beschäftigt war, in sein Büro, um mit ihm Kaffee zu trinken. Er trank ihn ständig, böse Zungen behaupteten, er ernähre sich von ihm. Stets schien er mit einer Vielzahl von Aufgaben beschäftigt, die manchmal wenig mit denen der Gruppe zu tun hatten. Tatsächlich erledigte Seibert die tägliche Arbeit; ihm hatten die anderen Offiziere des Gruppenstabes Rede und Antwort zu
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