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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Und denk an die Versicherungsgesellschaften.Deutsche Gesellschaften, die die deutschen Hausbesitzer und sogar die jüdischen Eigentümer entschädigen werden. Wenn nicht, wäre es das Ende des deutschen Versicherungswesens. Und dann das ganze Glas. Du musst wissen, solches Glas wird nicht in Deutschland hergestellt. Kommt alles aus Belgien. Der Gesamtschaden ist noch gar nicht ganz ermittelt, aber schon jetzt macht er mehr als die Hälfte ihrer Jahresproduktion aus. Und das muss in Devisen bezahlt werden. Ausgerechnet jetzt, wo das Volk alle Kräfte in den Dienst von Autarkie und Rüstung gestellt hat. Oh ja, es gibt schon ausgemachte Idioten in diesem Land.« Seine Augen hatten zornig geblitzt, als er hervorstieß: »Aber lass dir eines gesagt sein. Mit alldem ist jetzt Schluss . Der Führer hat die Angelegenheit offiziell dem Reichsmarschall übertragen. Aber der dicke Hermann wird sie an uns delegieren, an Heydrich und uns. Und dann kann sich keiner von diesen Parteideppen mehr einmischen. Von nun an wird die Sache korrekt erledigt. Schließlich drängen wir schon seit Jahren auf eine umfassende Lösung. Jetzt können wir sie in die Tat umsetzen. Sauber und gründlich. Zweckmäßig. Endlich können wir so vorgehen, wie es sich gehört.«
    Thomas saß mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einer Bank, hielt mir sein silbernes Etui hin und bot mir eine seiner Luxuszigaretten mit goldenem Mundstück an. Ich nahm eine und gab ihm auch Feuer, blieb aber stehen. »Die umfassende Lösung , von der du damals sprachst, war die Emigration. Inzwischen haben sich die Dinge ganz schön entwickelt.« Lange blies Thomas den Rauch in die Luft, bevor er antwortete: »Das stimmt. Und wahr ist auch, dass man mit der Zeit gehen muss. Das heißt aber nicht, sich zum Narren machen zu lassen. Die Rhetorik ist vor allem für die Leute im zweiten oder im dritten Glied bestimmt.« – »Davon rede ich nicht. Ich finde nur, dass man da nicht unbedingt mitmachen muss.« – »Du würdest gern was anderestun?« – »Ja. Das geht mir auf die Nerven.« Jetzt nahm ich einen langen Zug von der Zigarette. Sie war köstlich, ein aromatischer, edler Tabak. »Mich hat dein entsetzlicher Mangel an Ehrgeiz schon immer beeindruckt«, meinte Thomas schließlich. »Ich kenne zehn Leute, die Mutter und Vater umbringen würden, um eine private Unterredung mit einem Mann wie Mandelbrod zu bekommen. Stell dir vor, er isst beim Führer zu Mittag! Und du zierst dich. Weißt du denn wenigstens, was du willst?« – »Ja, ich würde gern nach Frankreich zurück.« – »Nach Frankreich?« Er überlegte. »Stimmt, mit deinen Kontakten, deinen Sprachkenntnissen, das ist nicht dumm. Aber das wird nicht leicht sein. Knochen ist der BdS, ich kenne ihn gut, aber die Stellen bei ihm sind knapp und sehr begehrt.« – »Knochen kenne ich auch. Doch ich möchte nicht zum BdS. Ich möchte einen Posten, auf dem ich mich um die politischen Beziehungen kümmern kann.« – »Also einen Posten bei der Botschaft oder beim Militärbefehlshaber . Ich habe allerdings gehört, dass die SS seit dem Fortgang von Best nicht mehr sehr beliebt ist bei der Wehrmacht, und bei Abetz auch nicht. Vielleicht könnte man bei Oberg, dem HSSPF, etwas finden, was dir zusagt. Doch dabei kann das Amt I nicht viel machen: Wir müssten uns direkt ans SS-Personalhauptamt wenden, und da kenne ich niemanden.« – »Könnte es nicht klappen, wenn ein Vorschlag vom Amt I käme?« – »Vielleicht.« Er nahm einen letzten Zug und warf die Kippe nachlässig ins Blumenbeet. »Wenn Streckenbach dort noch säße, gar kein Problem. Aber der ist wie du, der denkt zu viel und hatte es satt.« – »Wo ist er jetzt?« – »Bei der Waffen-SS. Er befehligt eine lettische Division an der Front, die fünfzehnte.« – »Und wer hat ihn ersetzt? Ich bin nicht auf dem Laufenden.« – »Schulz.« – »Schulz? Welcher Schulz?« – »Erinnerst du dich nicht? Der Schulz, der ein Kommando der Einsatzgruppe C befehligte und der gleich zu Anfang um seine Versetzung gebeten hat.Der Hosenscheißer mit dem lächerlichen kleinen Schnurrbart.« – »Ach der! Ich bin ihm nie begegnet. Aber er scheint doch ganz in Ordnung zu sein.« – »Vermutlich, doch ich kenne ihn nicht persönlich. Es scheint Schwierigkeiten zwischen ihm und dem Gruppenstab gegeben zu haben. Er war vorher Bankier, du kennst ja diese Art. Streckenbach dagegen, mit dem hab ich in Polen Dienst getan. Schulz ist gerade erst ernannt worden, daher wird er

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