Die Wohlgesinnten
haben wir gesagt, na gut, jetzt kann’s losgehen. An Ort und Stelle ist inzwischen ein neuer BdS, Dr. Mildner, aber der ist jetzt schon überlastet; außerdem hat die Wehrmacht augenblicklich die Zusammenarbeit verweigert, deshalb habe ich Günther hingeschickt, er soll das Ganze in Schwung bringen. Dann haben wir alles vorbereitet, ein Schiff für die Viertausend in Kopenhagen, Züge für die Übrigen, aber Best macht uns ununterbrochen Schwierigkeiten. Immer hat er Einwände, die Dänen, die Wehrmacht e tutti quanti . Außerdem sollte es geheim bleiben, wir wollten sie überraschen, um sie alle mit einem Schlag zu fassen, doch Günther meint, sie wüssten schon Bescheid. Offenbar ist da einiges schiefgegangen.« – »Und wie weit sind Sie?« – »Eigentlich soll es in einigen Tagen losgehen. Wir wollen das mit einem Mal erledigen, schließlich gibt es nicht sehr viele. Ich habe Günther angerufen und ihm gesagt: Günther, mein Lieber, wenn das so ist, sagen Sie Mildner, er soll das Datum vorverlegen, aber Best hat es abgelehnt. Er ist viel zu weich,wollte noch mit den Dänen reden. Günther glaubt, er macht es absichtlich, damit die Sache platzt.« – »Trotz allem, ich kenne Dr. Best gut: Der ist alles andere als ein Judenfreund. Sie werden kaum einen besseren Nationalsozialisten finden als ihn.« Eichmann verzog das Gesicht: »Ach, wissen Sie, die Politik verändert die Menschen. Wir werden sehen. Mir kann man jedenfalls nichts vorwerfen, wir haben alles vorbereitet, alles geplant, wenn es nicht klappt, dann liegt es nicht an mir, das kann ich Ihnen versichern. Und Ihr Projekt, kommt es voran?«
Ich bestellte eine neue Runde, ich hatte schon bei früherer Gelegenheit bemerkt, dass der Alkohol Eichmann entspannte und seine rührselige und kameradschaftliche Seite zum Vorschein brachte. Es lag mir fern, ihn reinlegen zu wollen, aber ich wollte, dass er mir vertraute, und erkannte, dass meine Vorstellungen sich durchaus mit seiner Sicht der Dinge vertrugen. Ich erläuterte ihm das Projekt in groben Zügen; wie ich vorausgesehen hatte, hörte er kaum zu. Ihn interessierte nur eines: »Wie vereinbaren Sie das mit dem Prinzip Vernichtung durch Arbeit ?« – »Ganz einfach: Die Verbesserungen betreffen nur die qualifizierten Arbeiter. Wir müssen also dafür sorgen, dass die Juden und Asozialen zu den schweren, aber nicht qualifizierten Arbeiten eingeteilt werden.« Eichmann kratzte sich an der Wange. Natürlich wusste ich, dass Dinge wie die Einteilung der einzelnen Arbeiter vom Arbeitseinsatz jedes Lagers vorgenommen wurden; und wenn die ihre qualifizierten Juden behalten wollten, war das deren Problem. Eichmann schien ohnehin andere Sorgen zu haben. Nachdem er eine Minute nachgedacht hatte, erklärte er: »Gut, das geht«, und begann wieder über Südfrankreich zu reden. Trinkend und rauchend hörte ich ihm zu. Nach einer Weile, bei einer günstigen Gelegenheit, sagte ich höflich: »Um auf meinen Plan zurückzukommen, Obersturmbannführer, er ist fast fertig, und es wäre mir lieb, wenn Sie ihnsich ansehen würden.« Eichmann wedelte mit der Hand durch die Luft: »Wenn Sie möchten. Wissen Sie, ich bekomme so viele Papiere auf den Tisch.« – »Ich möchte Ihnen natürlich keine Ungelegenheiten bereiten. Ich wollte nur sicher sein, dass Sie keine Einwände haben.« – »Wenn es so ist, wie Sie sagen …« – »Hören Sie, wenn Sie Zeit haben, schauen Sie sich das noch einmal an und setzen Sie einen kleinen Schrieb auf, damit könnte ich zeigen, dass ich Ihre Meinung berücksichtigt habe.« Eichmann stieß ein kleines ironisches Lachen aus und drohte mir mit dem Finger: »Sie sind mir ja ein ganz Gerissener, Sturmbannführer Aue. Wollen auch Rückendeckung haben, was?« Ich machte ein undurchdringliches Gesicht: »Der Reichsführer wünscht, dass die Auffassungen aller damit befassten Ämter berücksichtigt werden. Obergruppenführer Kaltenbrunner hat mich darauf hingewiesen, dass ich mich, was das RSHA angeht, an Sie zu wenden habe. Ich halte das für einen selbstverständlichen Vorgang.« Mürrisch verzog Eichmann das Gesicht: »So etwas entscheide ich natürlich nicht selbst: Ich werde es meinem Amtschef vorlegen. Aber wenn ich eine positive Stellungnahme abgebe, hat er keinen Grund, die Unterzeichnung abzulehnen. Im Prinzip jedenfalls.« Ich hob mein Glas: »Also auf den Erfolg Ihres dänischen Einsatzes?« Er lächelte; wenn er so lächelte, schienen seine Ohren besonders abzustehen; mehr denn je
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