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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Häftlingskategorien, boten aber, falls das RSHA darauf bestand, die Möglichkeit, Kategorien, die schlechter gestellt werden sollten, wie etwa die Juden, ausschließlich für nicht qualifizierte Arbeiten einzuteilen: Wir hielten uns alle Möglichkeiten offen. Von dieser zentralen Unterscheidung ausgehend, half Isenbeck mir, weitere festzulegen: schwere Arbeit, leichte Arbeit, Revieraufenthalt; am Ende ergab das eine Tabelle, in die sich die verschiedenen Verpflegungssätze eintragen ließen. Statt uns mit festgelegten Zuteilungen herumzuschlagen, die wegen der Rationierung und der Versorgungsschwierigkeiten sowieso nicht eingehalten werden konnten, forderte ich Isenbeck auf – trotz allem von typischen Mahlzeiten ausgehend –, einen täglichen Finanzbedarf zu berechnen, der auf die einzelnen Kategorien entfiel, und in einem Anhang unterschiedliche Verpflegungsvorschläge zu unterbreiten, die sich in diesem Kostenrahmen bewegten. Isenbeck bestand darauf, auch qualitative Aspekte zu berücksichtigen, Dinge wie die Ausgabe von Zwiebeln – wegen der Vitamine eher roh als gekocht; ich ließ ihn gewähren. Bei Licht besehen, war dieser Plan kaum revolutionär zu nennen: Er griff auf gängige Praktiken zurück, modifizierte sie ein wenig und versuchte so, unter dem Strich eine gewisse Verbesserung zu erreichen; um ihn zu rechtfertigen, suchte ich Rizzi auf, erläuterte ihm das Konzept und bat ihn, eine Wirtschaftlichkeitsanalyse unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsleistung zu erstellen; er erklärtesich sogleich einverstanden, zumal ich ihm gern die Urheberschaft der wichtigsten Ideen überließ. Ich selbst wollte den Gesamtbericht abfassen, sobald ich über alle sachdienlichen Informationen verfügte.
    Entscheidend war, wie ich sehr wohl begriff, dass das RSHA nicht allzu viele Einwände hatte; wenn das Projekt dort akzeptiert wurde, konnte sich das Amt D IV des WVHA nicht mehr querstellen. Also rief ich Eichmann an, um bei ihm auf den Busch zu klopfen: »Ah, mein lieber Sturmbannführer Aue! Ein Treffen? Ich bin im Augenblick vollkommen überlastet. Ja, Italien, und noch einige andere Dinge. Am Abend? Auf ein Gläschen. Es gibt da ein kleines Café, nicht weit von meiner Dienststelle, Ecke Potsdamer Straße. Ja, neben dem U-Bahn-Eingang. Bis heute Abend also.« Als er eintraf, ließ er sich stöhnend auf die Bank fallen, warf seine Mütze auf den Tisch und massierte sich die Nasenwurzel. Ich hatte schon zwei Schnäpse bestellt und bot ihm eine Zigarette an, die er gern nahm, zurückgelehnt, die Beine übereinandergeschlagen, einen Arm auf der Rückenlehne. Zwischen zwei Zügen biss er sich auf die Unterlippe; auf seiner Stirnglatze spiegelten sich die Lichter des Cafés. »Also Italien?«, fragte ich. »Das Problem ist nicht so sehr Italien – gut, da können wir sicherlich noch acht- oder zehntausend finden –, sondern besteht vielmehr in den Zonen, die sie besetzt hatten und die infolge ihrer schwachsinnigen Politik zu Judenparadiesen geworden sind. Die gibt es überall! In Südfrankreich, an der dalmatinischen Küste, in ihren griechischen Zonen. Ich habe in alle diese Gebiete sofort Einheiten entsandt, aber das wird ein schweres Stück Arbeit; dazu kommen noch die Transportprobleme, das ist nicht an einem Tag getan. In Nizza ist es uns dank des Überraschungseffekts gelungen, einige Tausend zu verhaften; aber die französische Polizei zeigt immer weniger Kooperationsbereitschaft, und das erschwert uns die Arbeit. An allen Eckenund Kanten fehlen uns die nötigen Mittel. Und dann macht uns Dänemark sehr zu schaffen.« – »Dänemark?« – »Ja. Das haben wir uns eigentlich ganz einfach gedacht, und nun hat es sich als richtiger Saustall herausgestellt. Günther ist fuchsteufelswild. Habe ich Ihnen schon gesagt, dass ich ihn dorthin geschickt habe?« – »Ja. Was ist geschehen?« – »Ich weiß nicht recht. Laut Günther spielt Botschafter Dr. Best da eine ziemlich undurchsichtige Rolle. Sie kennen ihn, nicht wahr?« Eichmann trank seinen Schnaps in einem Zug und bestellte einen neuen. »Er war mein Vorgesetzter«, antwortete ich. »Vor dem Krieg.« – »Ach so, na ja, ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Seit Monaten wirft er uns Knüppel zwischen die Beine, sein vorgeschobener Grund ist …« – mehrfach hieb er mit der Hand durch die Luft – »… dass wir seine Politik der Zusammenarbeit dadurch beeinträchtigen würden. Und dann im August, als nach den Unruhen der Ausnahmezustand verhängt wurde,

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