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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Arm; Frank machte mir neben sich Platz, während die anderen Gäste eintraten; er fuhr sich mit den Fingerspitzen durchs Haar und fummelte an einem seiner Orden; er schien seine Ungeduld kaum zügeln zu können. Als alle da waren, wandte Frank sich an Himmler und verkündete mit feierlicher Stimme: »Mein lieber Reichsführer, das, was Sie nun sehen werden, ist eine Idee, die michseit einiger Zeit in meinen Mußestunden beschäftigt, ein Plan, der, wie ich hoffe, Krakau, die Hauptstadt des Generalgouvernements Polen, nach dem Krieg berühmt und zu einem Anziehungspunkt für ganz Deutschland machen wird. Ich möchte ihn, wenn er verwirklicht worden ist, dem Führer zum Geburtstag widmen. Doch da Sie uns mit Ihrem Besuch beehren, möchte ich das Geheimnis nicht länger für mich behalten.« Sein aufgedunsenes Gesicht mit den weichlichen fleischigen Zügen strahlte vor Vergnügen; der Reichsführer, die Hände auf dem Rücken verschränkt, betrachtete ihn, halb spöttisch, halb gelangweilt, durch seinen Kneifer. Ich hoffte vor allem, dass er sich beeilte: Das Kind begann schwer zu werden. Auf ein Zeichen von Frank zogen einige Soldaten das Tuch ab und enthüllten ein großes Architekturmodell, eine Art Park, mit Bäumen und geschwungenen Wegen, die zwischen umfriedeten Häusern verschiedener Stilrichtungen hindurchführten. Während Frank mit stolzgeschwellter Brust wartete, sah sich Himmler das Modell genauer an. »Was ist das?«, fragte er schließlich. »Sieht aus wie ein Zoo.« – »Beinahe, mein lieber Reichsführer«, Frank gluckste, die Daumen in den Taschen seiner Uniformjacke. »Das ist auf gut Wienerisch ein Menschengarten, ein anthropologischer Garten, den ich hier in Krakau einrichten möchte.« Er machte eine weit ausholende Geste über das Modell. »Erinnern Sie sich noch an Hagenbecks Völkerschauen, mein lieber Reichsführer, vor dem Krieg? Mit den Familien von Samoanern, Lappen, Sudanesen? Sie ist auch nach München gekommen, mein Vater ist mit mir hingegangen; Sie haben sie bestimmt auch gesehen. Sie war in Hamburg, Frankfurt, Basel. Ein großer Erfolg.« Der Reichsführer rieb sich das Kinn: »Ja, ja, ich entsinne mich. Das waren Wanderausstellungen, nicht wahr?« – »Ja. Aber dies hier wäre eine Dauereinrichtung, wie ein Zoo. Allerdings wird sie nicht der Unterhaltung des Publikums dienen, mein lieber Reichsführer,sondern pädagogischen und wissenschaftlichen Zwecken. Wir werden hier Exemplare aller verschwundenen oder im Verschwinden begriffenen Völker Europas versammeln, um auf diese Weise lebendes Anschauungsmaterial zu bewahren. Die deutschen Schüler werden in Bussen anreisen, um sich selbst ein Bild zu machen! Und hier, schauen Sie, hier.« Er zeigte auf eines der Häuser: Es war zur Hälfte aufgeschnitten; im Inneren sah man kleine Figuren um einen Tisch sitzen, auf dem ein siebenarmiger Leuchter stand. »Für die Juden habe ich beispielsweise die galizischen ausgewählt, weil sie für die Ostjuden am repräsentativsten sind. Das Haus ist typisch für ihre schmutzigen Wohnverhältnisse; natürlich wird man es regelmäßig desinfizieren und die ausgestellten Exemplare medizinisch kontrollieren müssen, um eine Ansteckung der Besucher zu vermeiden. Bei den Juden möchte ich fromme Exemplare haben, sehr fromme, wir geben ihnen einen Talmud, sodass die Besucher sie ihre Gebete murmeln hören oder den Frauen bei der Zubereitung koscherer Speisen zusehen können. Dies hier sind polnische Bauern aus Masuren, da bolschewistische Kolchosbauern, dort Ruthenen und da hinten Ukrainer, schauen Sie, die mit den bestickten Hemden. Das große Gebäude dort wird ein anthropologisches Forschungsinstitut beherbergen; ich werde selbst einen Lehrstuhl stiften; dort können die Forscher an Ort und Stelle diese einst so großen Völkerschaften studieren. Das wird für sie eine einzigartige Gelegenheit sein.« – »Faszinierend«, murmelte der Reichsführer. »Und die gewöhnlichen Besucher?« – »Die können sich frei zwischen den umzäunten Flächen bewegen, zuschauen, wie die Exemplare im Garten arbeiten, Teppiche klopfen, Wäsche aufhängen. Außerdem wird es Führungen durch die Häuser geben, sodass die Besucher Gelegenheit haben, die Wohnverhältnisse und das Brauchtum kennenzulernen.« – »Und wie wollen Sie die Einrichtung auf Dauer betreiben? Schließlich werden Ihre Exemplarealtern und irgendwann sterben.« – »Genau hier brauche ich Ihre Unterstützung, mein lieber Reichsführer. Für jedes

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