Die Wohlgesinnten
Volk benötigen wir nämlich einige Dutzend Exemplare. Sie werden untereinander heiraten und sich fortpflanzen. Es wird jeweils nur eine Familie ausgestellt; die anderen haben die Aufgabe, die Ausstellungsexemplare zu ersetzen, wenn sie krank werden, sich zu reproduzieren, den Kindern das Brauchtum, die Gebete und all das Übrige beizubringen. Ich habe vor, sie in einem Lager in der Nähe unter Aufsicht der SS zu verwahren.« – »Wenn der Führer es genehmigt, wäre das möglich. Aber wir müssen noch darüber reden. Ich bin mir nicht sicher, ob es wünschenswert wäre, bestimmte Rassen, selbst unter diesen Umständen, vor dem Aussterben zu retten. Das könnte gefährlich sein.« – »Selbstverständlich werden wir alle denkbaren Vorsichtsmaßnahmen treffen. Meiner Ansicht nach wäre eine solche Einrichtung höchst nützlich, ja unentbehrlich für die Wissenschaft. Wie sollen denn künftige Generationen die Bedeutung unseres Werkes erfassen, wenn sie keine Vorstellung von den Verhältnissen haben, die vorher herrschten?« – »Sie haben sicherlich Recht, mein lieber Frank. Das ist eine sehr schöne Idee. Und wie gedenken Sie, diesen … Völkerschauplatz zu finanzieren?« – »Auf kaufmännischer Grundlage. Nur das Forschungsinstitut wird bezuschusst werden müssen. Für den Garten selbst werden wir eine AG gründen und das Kapital durch Zeichnung aufbringen. Sobald die Anfangsinvestitionen wieder hereingekommen sind, sollen die Eintrittsgelder die laufenden Kosten decken. Ich habe mich über die Ausstellungen bei Hagenbeck informiert: Sie haben erhebliche Gewinne erwirtschaftet. Der Zoologische Garten in Paris hat regelmäßig Verluste gehabt, bis sein Direktor 1877 ethnologische Ausstellungen von Nubiern und Eskimos organisierte. Im ersten Jahr hatten sie eine Million zahlende Besucher. Das ging bis zum Weltkrieg so weiter.« Der Reichsführer nickte nachdenklichmit dem Kopf: »Schöne Idee.« Er musterte das Modell aus nächster Nähe; Frank machte ihn von Zeit zu Zeit auf irgendeine Einzelheit aufmerksam. Der Kleine hatte angefangen zu zappeln, und ich hatte ihn auf den Boden stellen müssen: Er setzte sich wieder in sein Tretauto und verschwand durch die Tür. Auch die Gäste gingen hinaus. In einem Saal traf ich den immer noch katzenfreundlichen Bierkamp, ich unterhielt mich kurz mit ihm. Dann trat ich unter die Kolonnaden hinaus, um zu rauchen, bewunderte die barocke Pracht der Beleuchtung und dieser martialischen und barbarischen Ehrenwache, die dort nur zu stehen schien, um die anmutigen Formen des Schlosses zur Geltung zu bringen. »Guten Abend«, sagte eine Stimme neben mir. »Beeindruckend, nicht wahr?« Ich wandte mich um und erkannte Osnabrugge, den liebenswürdigen Bauingenieur, den ich in Kiew kennengelernt hatte. »Guten Abend! Was für eine nette Überraschung.« – »Wohl wahr, da ist inzwischen viel Wasser unter den zerstörten Dnepr-Brücken hindurchgeflossen.« Er hielt ein Glas Rotwein in der Hand, und wir stießen auf die Wiederbegegnung an. »Na«, fragte er, »was führt Sie denn ins Frank-Reich?« – »Ich begleite den Reichsführer. Und Sie?« Auf seinem freundlichen ovalen Gesicht erschien ein ironisch-wichtigtuerischer Ausdruck: »Staatsgeheimnis!« Er lächelte und zwinkerte mir zu: »Aber Ihnen kann ich es ja wohl verraten: Ich bin im Auftrag des OKH hier. Ich bereite die Pläne für die Sprengung der Brücken in den Distrikten Lublin und Galizien vor.« Verblüfft blickte ich ihn an: »Warum denn das zum Teufel? »– »Für den Fall eines weiteren sowjetischen Vormarsches natürlich.« – »Aber die Bolschewisten stehen am Dnepr!« Er rieb sich seine platte Nase; sein Schädel war, wie ich bemerkte, ziemlich kahl geworden. »Sie sind heute übergesetzt«, sagte er schließlich. »Newel haben sie auch genommen.« – »Trotzdem, das ist noch weit. Wir werden sie lange vorher zum Stehen bringen. Finden Sie nicht,dass Ihre Vorbereitungen etwas defätistisch sind?« – »Keineswegs: nur vorsorglich. Eine Haltung, die sich beim Militär noch großer Wertschätzung erfreut, kann ich Ihnen versichern. Ich tue nur, was man mir sagt. Im Frühjahr habe ich das Gleiche in Smolensk gemacht und im Sommer in Weißrussland.« – »Und was sieht ein solches Programm zur Sprengung der Brücken vor, können Sie mir das erklären?« Seine Miene wurde traurig: »Ach, das ist nicht sehr kompliziert. Die hiesigen Pioniere untersuchen jede zur Sprengung vorgesehene Brücke; ich schaue mir ihre
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