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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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hatte, genauso ruhig wie ich einmal die Wolga. Ich ließ mich in den Liegestuhl zurücksinken, schloss die Augen und konzentrierte mich auf die Empfindung, die das langsam verdunstende Chlorwasser auf meiner Haut hervorrief. An diesem Tag entließ mich die Angst nur langsam aus ihrer erstickenden Umklammerung. Trotzdem ging ich am folgenden Sonntag wieder mit Thomas in die Schwimmhalle.
    In der Zwischenzeit war ich abermals zum Reichsführer befohlen worden. Er verlangte von mir Auskunft, wie wir zu unseren Ergebnissen gekommen waren; ich stürzte mich in eine detaillierte Erklärung, da es einige technische Punktegab, die sich schwer zusammenfassen ließen; mit kalter, wenig entgegenkommender Miene ließ er mich reden und fragte, als ich fertig war: »Und das Reichssicherheitshauptamt?« – »Sein Sachbearbeiter ist im Prinzip einverstanden. Er wartet nur noch auf die Bestätigung von Gruppenführer Müller.« – »Wir müssen vorsichtig sein, Sturmbannführer, sehr vorsichtig«, sagte er mit seiner schulmeisterlichsten Stimme und betonte jedes Wort. Ich wusste, dass es gerade im GG einen neuen Judenaufstand gegeben hatte, dieses Mal in Sobibor; wieder waren SS-Männer getötet worden, und trotz einer groß angelegten Treibjagd konnte ein Teil der entflohenen Häftlinge nicht wieder aufgegriffen werden; leider handelte es sich um Mitwisser, Zeugen der Vernichtungsaktionen: Wenn es ihnen gelang, sich den Partisanen in den Pripjetsümpfen anzuschließen, bestanden gute Aussichten, dass sie anschließend von den Bolschewisten für ihre Zwecke eingespannt wurden. Ich hatte Verständnis für die Beunruhigung des Reichsführers, aber er musste sich entscheiden. »Ich glaube, Sie haben Reichsminister Speer kennengelernt?«, fragte er plötzlich. »Ja, mein Reichsführer. Ich bin ihm von Dr. Mandelbrod vorgestellt worden.« – »Haben Sie ihm von Ihrem Projekt erzählt?« – »Ich bin nicht auf die Einzelheiten eingegangen, mein Reichsführer. Aber er weiß, dass wir bestrebt sind, den Gesundheitszustand der Häftlinge zu verbessern.« – »Und was sagt er?« – »Er schien zufrieden zu sein, mein Reichsführer.« Er blätterte in einigen Papieren auf seinem Schreibtisch: »Dr. Mandelbrod hat mir einen Brief geschrieben. Er sagt, es habe so ausgesehen, als hätte Minister Speer Gefallen an Ihnen gefunden. Stimmt das?« – »Ich weiß nicht, mein Reichsführer.« – »Dr. Mandelbrod und Herr Leland wollen um jeden Preis, dass ich enger mit Speer zusammenarbeite. Im Prinzip ist das keine schlechte Idee, weil wir gemeinsame Interessen haben. Alle glauben immer, Speer und ich lägen im Streit. Aber das ist ganz und gar nicht der Fall.Schon 1937 habe ich die DEST gegründet und Sonderlager für ihn eingerichtet, um ihm die Baustoffe, die Ziegel- und Granitsteine für die neue Hauptstadt zu liefern, die er für den Führer erbauen sollte. Damals konnte ihm ganz Deutschland nur vier Prozent seines Granitbedarfs liefern. Er war sehr froh über meine Hilfe und hat nur zu gern mit mir zusammengearbeitet. Aber wohlgemerkt, ihm ist nicht zu trauen. Er ist kein Idealist, und er versteht die SS nicht. Ich wollte ihn zu einem meiner Gruppenführer ernennen, aber er hat abgelehnt. Letztes Jahr hat er sich erlaubt, unsere Arbeitsorganisation beim Führer zu kritisieren: Er verlangte die Zuständigkeit für unsere Lager. Noch heute träumt er vom Aufsichtsrecht über unsere internen Arbeitsabläufe. Trotzdem bleibt es wichtig, dass wir mit ihm zusammenarbeiten. Haben Sie sein Ministerium bei der Vorbereitung Ihres Projekts einbezogen?« – »Ja, mein Reichsführer. Einer seiner Beamten hat ein Referat bei uns gehalten.« Der Reichsführer nickte langsam: »Gut, gut …« Dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben: »Wir dürfen nicht zu viel Zeit verlieren. Ich sage Pohl, dass ich das Projekt billige. Sie schicken eine Kopie direkt an Reichsminister Speer, mit einem persönlichen Begleitschreiben, in dem Sie ihn an Ihre Begegnung erinnern und ihm mitteilen, dass der Plan nun in die Tat umgesetzt wird. Eine weitere Kopie natürlich an Dr. Mandelbrod.« – »Zu Befehl, mein Reichsführer. Und was wünschen Sie, dass ich in Bezug auf die Fremdarbeiter unternehme?« – »Im Augenblick nichts. Prüfen Sie die Frage unter dem Blickwinkel der Ernährung und der Produktivität, aber belassen Sie es vorerst dabei. Wir wollen abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. Und wenn Speer oder einer seiner Teilhaber Kontakt mit Ihnen

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