Die Wohlgesinnten
Stört es Sie, wenn ich währenddessen eine Zigarette rauche?« – »Keineswegs. Ein hübscher Fleck, um eine Ruhepause einzulegen.« Er öffnete seine Flinte, legte sie ab und setzte sich an den Fuß eines Baumes, um seine Schokolade zu knabbern. Ich trank einen Schluck Weinbrand, reichte ihm die Flasche und zündete mir eine Zigarette an. Das Gras unter meinem Hintern durchfeuchtete meine Hose, aber das war mir egal: Den Hut auf den Knien, legte ich den Kopf an die raue Rinde der Kiefer, an der ich lehnte, und betrachtete die stille Grasfläche und den schweigenden Wald. »Wissen Sie«, sagte Speer, »ich habe großes Verständnis für die Gebote der Sicherheit. Aber sie geraten in immer größeren Widerspruch zu den Erfordernissen der Kriegsindustrie. Es kommen einfach zu viele potenzielle Arbeiter nicht zum Einsatz.« Ich stieß den Rauch aus, bevor ich antwortete: »Schon möglich, Herr Minister. Aber ich glaube, in dieser Situation, angesichts unserer Schwierigkeiten, sind Prioritätskonflikte unvermeidlich.« – »Dennoch müssen sie gelöst werden.« – »Gewiss. Aber die Entscheidung liegt doch eindeutig beim Führer, Herr Minister, nicht wahr? Der Reichsführer befolgt doch nur seine Anweisungen.« Er knabberte noch immer an seiner Tafel Schokolade: »Glauben Sie nicht, dass für den Führer wie für uns der Endsieg absoluten Vorrang hat?« – »Gewiss, Herr Minister.« – »Warum bringen wir uns dann um so kostbare Ressourcen?Woche für Woche beklagt sich die Wehrmacht bei mir, dass ihr jüdische Arbeiter weggenommen werden. Und sie werden nirgendwo anders eingesetzt, das müsste ich erfahren. Es ist einfach grotesk! In Deutschland ist die Judenfrage gelöst, und welche Bedeutung hat sie im Augenblick anderswo? Gewinnen wir doch erst einmal den Krieg; hinterher haben wir noch immer genügend Zeit, die anderen Probleme zu lösen.« Ich wählte meine Worte sorgfältig: »Vielleicht sagt sich ja mancher, Herr Minister, dass einige Probleme sofort gelöst werden müssen, wenn der Endsieg so lange auf sich warten lässt …« Er wandte mir den Kopf zu und blickte mich durchdringend an: »Glauben Sie?« – »Ich weiß nicht. Es wäre eine Möglichkeit. Darf ich fragen, was der Führer sagt, wenn Sie mit ihm darüber sprechen?« Nachdenklich biss er sich auf die Lippe: »Der Führer spricht nie über diese Dinge. Zumindest nicht mit mir.« Er stand auf und klopfte seine Hose ab. »Gehen wir weiter?« Ich warf meine Zigarette weg, nahm noch einen Schluck Weinbrand und verstaute die Flasche: »Wohin?« – »Gute Frage. Ich fürchte, wenn wir auf die andere Seite hinübergehen, stoßen wir auf einen unserer Freunde.« Er blickte nach rechts zum Rand der Lichtung: »Wenn wir da entlanggehen, müssten wir wieder zum Bach kommen. Danach können wir zurückgehen.« Wir setzten uns wieder in Marsch, wobei wir uns am Waldrand hielten; der Hund folgte uns in kleinem Abstand durch das feuchte Gras der Wiese. »Dabei fällt mir ein«, sagte Speer, »ich habe Ihnen noch nicht für Ihre Unterstützung gedankt. Ich weiß das sehr zu schätzen.« – »Ist mir ein Vergnügen, Herr Minister. Ich hoffe, dass es etwas nützt. Sind Sie zufrieden mit der neuen Zusammenarbeit mit dem Reichsführer?« – »Ehrlich gesagt, Sturmbannführer, hatte ich von seiner Seite mehr erwartet. Ich habe ihm mehrere Berichte über Gauleiter geschickt, die sich weigern, Unternehmen zu schließen, die für die Kriegsproduktion nutzlos sind. Dochsoweit ich sehen kann, begnügt sich der Reichsführer damit, diese Berichte an Reichsleiter Bormann weiterzugeben. Und Bormann gibt den Gauleitern natürlich immer Recht. Der Reichsführer scheint das ziemlich tatenlos hinzunehmen.« Wir waren am Ende der Lichtung angelangt und drangen in den Wald ein. Es fing wieder an zu regnen, ein feiner, leichter Regen, mit dem sich unsere Kleidung vollsog. Speer war verstummt und ging nun mit erhobenem Gewehr, auf das Dickicht vor ihm konzentriert. So bewegten wir uns eine halbe Stunde bis zum Bach voran, gingen in einer Diagonale zurück, bevor wir wieder zum Bach zurückgelangten. Von Zeit zu Zeit hörte ich in der Ferne vereinzelte Schüsse, gedämpfte Geräusche im Regen. Speer schoss noch viermal und erlegte einen schwarzen Auerhahn mit sehr schöner Halskrause, deren Federn metallisch glänzten. Nass bis auf die Haut, überquerten wir den Bach in Richtung des Hauses. Kurz bevor wir den Park erreichten, wandte sich Speer erneut an mich: »Ich habe ein
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