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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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gehängt. Die schwarze Tasche lag neben seinem Ellenbogen. »Treten Sie ein!«, sagte er höflich, aber bestimmt. Er wies auf den Stuhl vor dem Tisch: »Nehmen Sie bitte Platz!« Der Schupo schloss die Tür hinter mir, und ich setzte mich. Ich hörte die Nagelstiefel des Mannes im Flur klacken, während er sich entfernte. Die Stimme des eleganten jungen Manneswar leise und höflich, kaschierte aber ihre Schärfe nur notdürftig. »Herr Halbey, mein Kollege von der Kriminalpolizei, hält Sie für einen Hundertfünfundsiebziger. Sind Sie einer?« Das schien mir eine echte Frage zu sein, daher beantwortete ich sie mit einem klaren »Nein«. – »Das glaube ich auch«, sagte er. Er blickte mich an und reichte mir über den Schreibtisch hinweg die Hand: »Mein Name ist Thomas Hauser. Erfreut, Sie kennenzulernen.« Ich beugte mich vor und schüttelte sie. Sein Händedruck war fest, die Haut trocken und glatt, die Nägel sehr gepflegt. »Aue. Maximilian Aue.« – »Ja, ich weiß. Sie haben Glück, Herr Aue. Kriminalkommissar Halbey hat bereits einen vorläufigen Bericht über den unglücklichen Zwischenfall an die Staatspolizei geschickt, in dem von einer angeblich schuldhaften Verstrickung Ihrerseits die Rede ist. Eine Kopie ging an Kriminalrat Meisinger. Wissen Sie, wer Kriminalrat Meisinger ist?« – »Nein, das weiß ich nicht.« – »Kriminalrat Meisinger leitet die Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung. Er ist also für die Hundertfünfundsiebziger zuständig. Ein sehr unangenehmer Mensch. Ein Bayer.« Er machte eine Pause. »Zu Ihrem Glück ist der Bericht von Kriminalkommissar Halbey zuerst an meine Dienststelle gegangen. Ich hatte heute Abend Dienst. Daher konnte ich die für Kriminalrat Meisinger bestimmte Kopie vorerst zurückhalten.« – »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen.« – »Ja, das kann man wohl sagen. Sehen Sie, unser Freund, der Kriminalkommissar Halbey, hat einen bestimmten Verdacht in Bezug auf Ihre Person gefasst. Doch Kriminalrat Meisinger hält sich nicht lange mit Verdächtigungen auf, er will Tatsachen. Und die verschafft er sich mit Methoden, die zwar nicht die einhellige Zustimmung der Staatspolizei finden, die sich aber im Allgemeinen als sehr wirksam erweisen.« Ich schüttelte den Kopf: »Hören Sie … Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie sprechen. Es handelt sich um ein Missverständnis.«Thomas schnalzte leise. »Vorläufig haben Sie Recht«, sagte er. »Es scheint sich um ein Missverständnis zu handeln. Oder um ein unglückliches Zusammentreffen, wenn Ihnen das lieber ist, das von dem übereifrigen Kriminalkommissar Halbey falsch interpretiert wurde.« Ich beugte mich vor und hob die Hände: »Hören Sie, das alles ist völlig idiotisch. Ich bin Student, Mitglied der Partei, der SS …« Er fiel mir ins Wort: »Ich weiß, dass Sie Pg sind und der SS angehören. Professor Höhn ist ein guter Bekannter von mir. Ich weiß sehr gut, wer Sie sind.« Da begriff ich: »Ach, Sie gehören zum SD.« Thomas lächelte freundlich: »In gewissem Sinne, ja. Normalerweise arbeite ich für Dr. Six: Er ist der Nachfolger Ihres Professors Höhn. Aber im Augenblick bin ich zur Staatspolizei abkommandiert, als Assistent von Dr. Best, der dem Chef hilft, den juristischen Rahmen für die Sipo zu entwickeln.« Selbst unter den gegebenen Umständen bemerkte ich, mit welchem Nachdruck er das Wort Chef aussprach. »Dann haben Sie also alle den Doktortitel beim Sicherheitsdienst?«, fragte ich. Er lächelte von Neuem, ein breites und offenes Lächeln: »Fast alle.« – »Dann wurden Sie auch promoviert?« Er nickte: »In Jura.« – »Verstehe.« – »Der Chef dagegen, der hat keinen Titel. Aber er ist viel intelligenter als wir. Er bedient sich unserer Talente, um seine Ziele zu erreichen.« – »Und was sind das für Ziele?« Thomas runzelte die Stirn: »Was studieren Sie bei Höhn? Den Schutz des Staates natürlich.« Er schwieg. Auch ich sagte nichts, wir sahen uns an. Offenbar wartete er auf etwas. Er beugte sich vor und stützte das Kinn in die eine Hand, während er mit den manikürten Nägeln der anderen auf den Tisch trommelte. Schließlich fragte er etwas verstimmt: »Staatsschutz interessiert Sie nicht, Herr Aue?« Ich zögerte: »Ich bin doch gar nicht promoviert …« – »Sie werden es aber bald sein.« Wieder einige Sekunden Schweigen. »Ich weiß nicht recht, worauf Sie hinauswollen«, sagte ich schließlich. »Ich will auf garnichtshinaus, es sei denn

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