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Die Wohlgesinnten

Die Wohlgesinnten

Titel: Die Wohlgesinnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Littell
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Testament nicht bedacht. Auch Ihre Schwester nicht. Herr Moreau hinterlässt alles, sein Vermögen, seine Unternehmen, sein Haus, den Zwillingen.« – »Wir finden das merkwürdig«, grummelte Clemens. »Vollkommen richtig«, fuhr Weser fort. »Schließlich sind sie nach allem, was wir gehört haben, angenommene Kinder, vielleicht aus der Familie Ihrer Mutter, vielleicht auch nicht, auf jeden Fall nicht aus seiner.« Ich zuckte die Achseln: »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Moreau und ich uns nicht verstanden haben. Ich bin nicht überrascht, dass er mir nichts hinterlassen hat. Er hatte keine Kinder, keine Familie. Da hat er wohl schließlich die Zwillinge ins Herz geschlossen.« – »Nehmen wir es einmal an«, sagte Clemens. »Nehmen wir es an. Dann sieht es so aus: Sie sind vielleicht Zeugen des Verbrechensgeworden, sie erben und sie verschwinden mit Hilfe Ihrer Schwester, die offenbar nicht nach Deutschland zurückgekehrt ist. Und Sie können wirklich kein Licht in das Dunkel bringen? Auch wenn Sie mit dem Ganzen nichts zu tun haben.« – »Hören Sie, meine Herren«, sagte ich und räusperte mich, »ich habe Ihnen bereits alles gesagt, was ich weiß. Wenn Sie nach Budapest gekommen sind, um mich das zu fragen, haben Sie Ihre Zeit verschwendet.« – »Ach, wissen Sie«, sagte Weser scheinheilig, »wir verschwenden unsere Zeit eigentlich nie. Irgendwas Nützliches finden wir immer. Und außerdem plaudern wir so gerne mit Ihnen.« – »Ja«, fuhr die ungeschlachte Stimme von Clemens dazwischen, »das ist sehr angenehm. Deswegen werden wir auch damit fortfahren.« – »Sie müssen nämlich wissen«, sagte Weser, »wenn wir einmal etwas angefangen haben, bringen wir es auch zu Ende.« – »Ja«, pflichtete Clemens ihm bei, »sonst hätte es keinen Sinn.« Ich sagte nichts, blickte sie nur kalt an und war gleichzeitig voller Schrecken, weil mir klar wurde, dass diese merkwürdigen Gestalten mich wirklich für schuldig hielten und nicht aufhören würden, mir nachzustellen, irgendetwas musste geschehen. Aber was? Ich war viel zu niedergeschlagen, um zu reagieren. Sie stellten mir noch ein paar Fragen über meine Schwester und ihren Mann, die ich zerstreut beantwortete. Dann standen sie auf. »Obersturmbannführer«, sagte Clemens, den Hut schon auf dem Kopf, »es ist wirklich ein Vergnügen, mit Ihnen zu plaudern. Sie sind ein verständiger Mensch.« – »Wir hoffen sehr, dass es nicht das letzte Mal war«, sagte Weser. »Haben Sie die Absicht, bald nach Berlin zurückzukehren? Bekommen Sie keinen Schreck: Die Stadt ist nicht mehr das, was sie mal war.«
     
     
    Weser hatte nicht Unrecht. Ich kehrte in der zweiten Juliwoche nach Berlin zurück, um über meine Tätigkeit Bericht zu erstatten und neue Anweisungen abzuwarten. Die Dienststellen des Reichsführers und des RSHA hatten unter den Bombenangriffen im März und April stark gelitten. Das Prinz-Albrecht-Palais war durch den gezielten Abwurf von Sprengbomben vollkommen zerstört worden; das SS-Haus stand zwar noch, aber nur teilweise, und meine Dienststelle hatte wieder in eine andere Außenstelle des Innenministeriums umziehen müssen. Ein ganzer Flügel des Sitzes der Geheimen Staatspolizei war abgebrannt, große Risse liefen über die Wände, die leeren Fensterhöhlen waren mit Brettern vernagelt; zur Entzerrung waren die meisten Abteilungen und Sektionen in Vororte oder sogar weit entfernte Dörfer verlagert worden. Häftlinge waren noch damit beschäftigt, die Flure und Treppenhäuser neu zu streichen und aus den zerstörten Büros den Schutt und die Trümmer wegzuschaffen; mehrere von ihnen waren übrigens bei einem Angriff Anfang Mai ums Leben gekommen. Für die in der Stadt verbliebenen Menschen war das Leben hart. Es gab fast kein fließendes Wasser mehr – Soldaten lieferten den Familien, die keines hatten, zwei Eimer pro Tag –, keinen Strom, kein Gas. Die Beamten, die noch pflichtbewusst zur Arbeit erschienen, umwickelten sich die Gesichter mit Schals, um sich gegen den ständigen Rauch der Brände zu schützen. Die Frauen trugen, Goebbels’ patriotischer Propaganda Folge leistend, keine Hüte mehr und auch keine allzu elegante Kleidung, und wenn sich welche geschminkt auf die Straße wagten, wurden sie beschimpft. Die Großangriffe mit mehreren Hundert Maschinen waren vor einiger Zeit eingestellt worden; doch die kleinen Überraschungsangriffe mit den Mosquitos, die die Nerven zerrütteten, hielten an. Wir hatten endlich unsere ersten

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